Unheil ueber Oxford
liebten.« Eine Männerstimme. Unwillkürlich fuhr Kate herum. Glattes, schwarzes Haar, dunkle Augen, die wie Basalt glänzten, eine amüsierte, etwas hämische Stimme. Timothy Happle.
»Männer wie diesen Amphialus kenne ich zur Genüge«, murmelte Kate.
»Wie bitte?«
»Ach nichts. Ich habe nur laut gedacht.«
»Ja klar«, grinste Happle, »ihr Feministinnen habt natürlich etwas gegen die arme Heldin, die tugendhafte Frau, die nicht laut aussprechen darf, was sie denkt. Aber wie sollte man zur Zeit König Jakobs Tugend auf der Bühne anders darstellen und dem Publikum vermitteln?«
»Ich bin froh, dass wir uns von der Vorstellung verabschiedet haben, dass nur eine schweigende Frau eine gute Frau ist«, sagte Faith. »Die Zeiten sind vorbei, wo ein von bedeutsamen Taten erfülltes Leben, ein Leben weiblichen Aufbegehrens, zum Schweigen gebracht werden musste. Und zwar nicht nur im übertragenen Sinne, sondern, wie im Fall unserer Heldin hier, auch ganz konkret.«
»Nun ja, liebste Faith, dir kann man gewiss nicht vorwerfen, der Tugend des Schweigens im Übermaß zu frönen«, frotzelte Happle.
»Und doch ist es so, dass man diejenigen unter uns, die aufstehen und das aussprechen, was wir als richtig erkannt haben, noch immer als Xanthippen oder alte Vetteln geißelt«, fuhr Faith fort, ohne Happle zu beachten.
»Nun übertreibst du aber maßlos«, erwiderte Happles seidenweiche Stimme. »Natürlich lauschen wir mit größter Aufmerksamkeit den Dingen, die du zu sagen hast, werte Faith, und zwar bei allen Gelegenheiten.«
Kate hätte sich nicht gewundert, wenn er am Ende des Satzes gelacht hätte.
»Treib es nicht auf die Spitze«, sagte Faith sehr leise.
Worüber sprachen die beiden? Wie eine Diskussion über ein Drama aus jakobinischer Zeit klang es für Kate nicht.
»Kate Ivory wird sich mit ihrer historischen Sicht der Dinge sicher auf meine Seite schlagen«, mutmaßte Happle. »Finden Sie nicht, dass es einer Frau schlecht ansteht, Älteren und Vorgesetzten die Leviten zu lesen, selbst wenn sie sehr religiös erzogen und zutiefst von der Rechtmäßigkeit ihres Anliegens überzeugt ist?«
Auf der Bühne versammelten sich die Schauspieler. Das Licht blendete auf. Im Hintergrund spielte jemand auf einer Laute, allerdings nicht sehr gut.
»Wenn es Ihnen nichts ausmacht, würde ich jetzt gern das Stück sehen«, sagte Kate ruppig und nicht ganz ehrlich. Sie hatte nicht die geringste Lust, sich an den Meinungsverschiedenheiten anderer Leute zu beteiligen.
»Wirklich? Auf mich wirkten Sie eher, als ob Sie sich an ein paar unglückliche Begebenheiten in Ihrem Leben erinnerten«, erklärte Faith. »Sie hatten diesen weichen, zurückhaltenden Gesichtsausdruck, an dem man erkennt, dass jemand Ihnen wehgetan hat.«
Kate wandte sich ab und tat, als interessiere sie sich für die Vorgänge auf der Bühne. Kurze Zeit später sagte einer der Schauspieler:
Ich küsste dich ,
Eh ich dir Tod gab ; nun sei dies der Schluss :
Mich selber tötend sterb ich so im Kuss .
Es sieht den Männern ähnlich, einen Mord und einen Selbstmord auf derart poetische Weise zu rechtfertigen, dachte Kate grimmig. Ihre Laune hellte sich jedoch auf, als sie sah, dass die Hauptpersonen inzwischen tot auf der Bühne lagen; das Spektakel dürfte also nicht mehr allzu lange dauern.
Das Leicester College lag höchstens fünf Minuten zu Fuß vom Bartlemas entfernt. Kate ging davon aus, dass selbst für Missgeschicke so anfällige Menschen wie Curtis und Martha den Weg ohne ihre Hilfe bewältigen konnten. Sicher würden sie sich nicht gleich abfackeln, wenn sie sie für kurze Zeit sich selbst überließ. Sie blieb unter der Birke sitzen, genoss eine leichte Brise, die in den trockenen Blättern raschelte, und sah zu, wie die Menschenmenge sich durch das Tor hinausdrängte und die Bühne abgeräumt wurde.
Eine der guten Seiten Oxfords war, dass im Herbst alles wieder von vorn begann. Im Oktober, und zwar in jedem Oktober, kam eine neue Generation in die Stadt – bereit, zu lernen, zu leben und sich zu verlieben. An anderen Orten der Welt galt der Frühling als Zeit der Hoffnung; hier war es der Herbst. Die Zeit der fallenden Blätter. Eine Zeit, um eine unglückliche Vergangenheit loszulassen, nach vorne zu blicken und das Leben in eine gefälligere Form zu bringen. Kate erinnerte sich an ein Gedicht von Omar Khayyam:
Ach Liebe! Könnten wir im Schicksal uns verbinden , Das traurige Komplott der Dinge aufzufinden ,
Wir würden es in
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