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Unheil ueber Oxford

Unheil ueber Oxford

Titel: Unheil ueber Oxford Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veronica Stallwood
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tausend Scherben trümmern
    Und neu es formen und ein glücklich Herz empfinden .

    Allmählich schien sie sich daran zu gewöhnen, bei jeder Gelegenheit Gedichte zu zitieren. Wenn sie sich noch lange in dieser Umgebung bewegte, würde sie selbst noch zur Intellektuellen. Ja, genau das wünschte sie sich: die Vergangenheit neu zu formen und glücklicher zu werden. Aber wollte das nicht jeder?
    Niemand bemerkte Kate, die in ihrem dunkelblauen Kleid im Schatten saß. Sie schloss die Augen und ließ sich die kühle Abendluft über das Gesicht streichen.
    Und doch war noch jemand da. Jemand, der ihr einen Seidenschal um den Hals schlang und so fest zuzog, dass ihr Kopf nach hinten gerissen wurde. Himmel und Sterne schienen um sie herumzuwirbeln.
    »Du hast wohl nicht richtig zugehört!« Kate erkannte die zischende, geschlechtslose, bedrohliche Stimme sofort. »Ich habe dir gesagt, du sollst dich raushalten. Ich habe dir gesagt, du sollst die Finger davon lassen. Du forderst geradezu heraus, dass man dir eine Lektion erteilt!«
    Der Schal wurde so fest zugezogen, dass der Himmel erlosch. Kate sah nur noch rote Explosionen vor den Augen; Hals und Kopf schmerzten. Instinktiv griff sie nach dem Schal. Sie versuchte aufzustehen. Sie wollte um sich treten, sich verteidigen. Doch sie schaffte es nicht. Sie saß zu ungünstig. Noch nicht einmal um Hilfe schreien konnte sie. Ihre erstickte Stimme verwehte in den Weiten des Parks und konnte die dicken, mittelalterlichen Mauern nicht durchdringen.
    Der Schmerz steigerte sich ins Unerträgliche. Kates Kopf wurde auf den Boden gezwungen. Ein Stiefel mit dem Gewicht eines ganzen Körpers dahinter lastete auf ihrer Wange.
    Ihr Bewusstsein schwand. Plötzlich ließ der Druck nach. Immer noch war Kate nicht in der Lage, zu sehen oder zu fühlen, doch ihr Gehör funktionierte. Und sie hörte, wie jemand über die Wiese aus dem Garten lief.
    Kate kämpfte sich auf, setzte sich hin und betastete ihren Hals. Ihre Stimme hatte sie noch nicht wiedergefunden. Sie hatte das Gefühl, ihre Kehle brenne lichterloh und dass sie nie wieder würde sprechen können. Kate klopfte Blätter und Zweige von ihrem Kleid und stellte sich auf die Beine. Ihr schwindelte, und sie lehnte sich gegen den starken, sicheren Baumstamm.
    Wer war das gewesen? Dem Angreifer jetzt noch zu folgen und ihn oder sie zu stellen, schien unmöglich. Er war längst über alle Berge. Vielleicht hatte der Pförtner etwas gesehen, doch Kate bezweifelte es. Bestimmt saß er gemütlich in seinem Häuschen und las die Abendzeitung, oder er sah im Hinterzimmer fern, was eigentlich nicht gestattet war.
    Sie versuchte, ein paar Schritte zu laufen. Es ging, wenn auch nur langsam. Ihre Stimme jedoch war noch immer zu nicht mehr als einem Krächzen zu gebrauchen. Sie trat hinaus in die High Street und tat etwas, was sie unter normalen Umständen niemals machte: Sie winkte einem Taxi und ließ sich nach Hause fahren.

    Nachdem sie sich zu Hause versichert hatte, dass alle Türen verschlossen und alle Fenster verriegelt waren, ging sie nach oben ins Bad und betrachtete sich im Spiegel. Um ihren Hals lief ein roter, nicht einmal besonders auffälliger Streifen, auf ihrer Wange klebte ein wenig Schmutz, und sie hatte ein, zwei welke Blätter in den Haaren – also nichts, mit dem man bei der Polizei Anzeige erstatten könnte.
    Kate brühte sich eine Kanne Tee auf. Ihr Kopf schmerzte, und der Gedanke an Alkohol war ihr unangenehm, obwohl sie sich nach dem Vergessen sehnte, das er schenken konnte. Plötzlich fiel ihr etwas ein. Die ganze Geschichte erinnerte irgendwie an ein Spiel, das sie früher bei Kindergeburtstagen gespielt hatten. Den Namen wusste sie nicht mehr. Etwas wurde versteckt, und wenn man näher kam, riefen alle: »Warm! Wärmer!«, wenn man sich aber entfernte, hieß es: »Kalt! Kälter!« Genau das passierte hier auch. Je näher sie dem Geheimnis kam – oder den Geheimnissen, wie sie inzwischen vermutete –, desto heftiger wurde sie angegriffen.
    Wenn ihr Kopf wieder klar wäre und nicht mehr so schmerzte, würde sie die Ereignisse des Tages noch einmal überdenken. Was immer sie getan, gesehen oder gehört haben mochte, ihre unbekannten Angreifer hielten sie offenbar für sehr gefährlich. Wenn sie nur wüsste, was es war, das ihnen so viel Sorgen bereitete! Doch in diesem Moment, mit Brummschädel und schlimmen Schluckbeschwerden, fiel ihr einfach nichts Verdächtiges ein. Martha vielleicht? Oder Curtis? Beide waren an

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