Unheil ueber Oxford
wenig Schrankplatz in ihrem neuen Zimmer beschwert.
Kate hätte sie am liebsten darauf hingewiesen, dass sie wohl kaum viel Schrankplatz brauchte, nachdem sie es für nötig befunden hatte, ihre gesamte Garderobe in Brand zu setzen, doch stattdessen hatte sie den Pförtner gebeten, einen Schrank aus dem Nachbarzimmer in Marthas Raum zu schieben. Beinahe hätte sie vorgeschlagen, dass Martha und Curtis doch zusammenziehen sollten: Damit hätte sie ihre beiden Hauptnörgler an einem Ort versammelt, und Curtis hätte vielleicht aufgehört, über die Einsamkeit seines Lebens zu lamentieren. Doch Kate befürchtete, dass ein solcher Vorschlag nicht allzu gut angekommen wäre.
Nachdem sie ihren hauswirtschaftlichen Pflichten nachgekommen war, musste sie sich eilen, rechtzeitig im Seminarraum im Pesant-Hof zu erscheinen, wo sie einen recht lebhaften Workshop leitete. Ihre Studenten hatten einen Übungstext geschrieben und ihre Werke laut vorgelesen, sie als Rollenspiel dargestellt und über literarische Recherchen diskutiert. Im Anschluss waren einige Teilnehmer schüchtern auf Kate zugekommen und hatten sie gebeten, einige ihrer Bücher zu signieren. Ein erfolgreicher Nachmittag, hatte sie gedacht.
Nun war es Abend und Zeit für ihre Dosis Shakespeare. Kate war es gelungen, ein verborgenes Plätzchen unter der großen Birke in einer Ecke des Dozentengartens im Leicester College zu ergattern.
Hier habe ich Liam kennen gelernt, dachte sie. Bei Tee und Erdbeeren mit Schlagsahne. Von der Lichtlache der Bühne her deklamierte eine Frauenstimme:
Ich bin nicht fröhlich , doch verhüll ich gern
Den innern Zustand durch erborgten Schein .
Wie wahr, dachte Kate. An jenem längst vergangenen Juninachmittag fiel Regen von einem granitgrauen Himmel. Zusammen haben wir Schutz unter dem Zeltdach gesucht. Ein paar Hundert Leute drängten sich dort zusammen, und es roch nach nassen Kleidern.
Außerdem ist der Spitzbub hübsch , jung und hat alle die Eigenschaften , wonach Torheit und grüner Verstand hinschielen .
Ich hielt ihn für umwerfend. Wie habe ich mich getäuscht! Während der ganzen Zeit hatte er ein Verhältnis mit einer anderen Frau. Das ist eben das Ärgerliche an den Männern – für Monogamie sind sie nicht zu haben. Wahrscheinlich war das auch Chris Townsends Problem, dachte Kate. Und Rob Grailing scheint es ebenso zu gehen.
Verdammt sei meine Seele ,
Lieb ich dich nicht ; und wenn ich dich nicht liebe , Dann kehrt das Chaos wieder .
Nur kurz durchdrang die Stimme, die den Vers deklamierte, Kates Gedanken. Schnell fiel sie in ihre Träumerei zurück. Selbst der Rektor des Bartlemas schien, zumindest mit Blicken, kein Kostverächter zu sein. Ob es Honor störte? Merkte sie es überhaupt? Wahrscheinlich bemerkte ab einem gewissen Grad jede Frau etwas. Und es störte sie vermutlich auch.
Erst einige Zeit später weckten die Worte von der Bühne Kate wieder auf.
O bewahrt Euch, Herr, vor Eifersucht,
Dem grüngeäugten Scheusal , das verhöhnt
Die Speise , die es nährt!
Jetzt sprach ein Mann, stellte sie fest. Männer sagten einem nur allzu gern, man solle nicht eifersüchtig sein. Am liebsten dann, wenn sie einen belogen und betrogen.
Kate seufzte und versuchte, sich auf die Handlung auf der Bühne zu konzentrieren. Keine besonders gelungene Aufführung, dachte sie und hoffte, dass ihr die kritischeren Studenten beim nächsten Treffen keine Vorhaltungen deshalb machen würden. Sie wusste, dass Martha und Curtis dort irgendwo in der Dunkelheit saßen. Martha würde sich sicher Notizen machen und ihr morgen haarklein auseinander setzen, was alles nicht stimmig gewesen war.
Die Pause war nur kurz; zumindest stand es so im Programmheft. »Sehen Sie das Bühnenbild?«, raunte eine Stimme hinter Kate aus der Dunkelheit. »Typisch romantische Motive. Ein schicksalhafter Ort, umgeben von einem turbulenten Meer.« Es war Faith Beeton, die sich zu ihr nach vorn lehnte.
»Ach, wirklich?« Aber Kate interessierte sich nicht für Faith’ Kommentare über das Schauspiel. Sie war damit beschäftigt, ihre verflossene Liebesaffäre Revue passieren zu lassen und zu versuchen, ihre Erfahrungen an die geheimnisvolle Atmosphäre anzupassen, die sie im Bartlemas umgab.
»Ich finde es ganz spannend, Shakespeares Helden mit seinem Vorgänger Amphialus in Sidneys Arcadia zu vergleichen. Auch der war ein Mensch, der nur die besten Absichten hatte, es aber immer wieder schaffte, die Menschen zu verletzen, die ihn
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