Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Unheil

Unheil

Titel: Unheil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Herbert
Vom Netzwerk:
hellen Stichflammen aus dem tieferen Orangegelb und Rot der Feuer schießen. Er zog den Kopf wieder ein, denn seine Augen schmerzten jetzt von der Hitze, und er zwinkerte heftig, sie zu befeuchten. Nach einer weiteren Minute spähte er wieder über die Mauer.
    Die Brände schienen sich vom Fluß über das gesamte Gelände der Gaswerke und die meisten der anschließenden kleineren Fabriken zu erstrecken. Er wandte den Kopf und sah, daß sogar die Häuserzeilen auf der anderen Seite der breiten Schnellstraße von den Kellern bis zu den Dächern lichterloh brannten. Die Zerstörung war furchtbar; offenbar waren die Gasometer voll gewesen, und die beiden fachkundig gelegten Sprengsätze hatten sie weit aufgerissen und das explosive Gas entzündet.
    Einen halben Kilometer entfernt konnte er die ausgebrannten Reste des Katastrophenfahrzeugs auf der Seite liegen sehen. Er sank in seine Deckung zurück, drückte den Kopf gegen die Wand und schloß die schmerzenden Augen. Welch ein schrecklicher Preis war hier entrichtet worden. Seine Gedanken waren nicht mehr zornig — nicht einmal erbittert über jene, die das Unheil zuerst in die Welt gebracht und dann durch ihre Dummheit freigesetzt hatten —, noch versetzte ihn der Wahnsinn, den es verursacht hatte, in Furcht und Schrecken. Er konnte jetzt nur eine tiefe, erschöpfte Traurigkeit empfinden. Er wußte, daß die Mutation fort war, zerstört durch die Glutwolke. Nichts hätte diesem vernichtenden, doch reinigenden Inferno widerstehen können, nicht einmal die von pervertiertem menschlichem Denken ersonnene Krankheit, die mutierten Mykoplasmen, die in ihrer Zusammenballung mehr zu sein schienen als eine Anhäufung bösartiger und parasitärer Mikroorganismen. War ihre Findigkeit nur eingebildet gewesen, oder hatten sie wirklich die Macht besessen, sich ihren Verfolgern zu entziehen? Waren ihre Bewegungen allein von den unbeständigen Luftströmungen verursacht worden? War ihre hypnotische Eigenschaft nur die Einbildung von Menschen gewesen, Teil des unterbewußten Willens zur Selbstzerstörung, der in jedem Geist steckt, verborgen in den dunkelsten Winkeln der Persönlichkeit, aber immer bereit, an die Oberfläche zu kommen? War Ryker wirklich verrückt geworden, oder hatte er gesehen, daß dies die einzige sichere Methode war und sich in voller Kenntnis der Folgen aufgeopfert? Vielleicht hatte er gespürt, daß die Krankheit ihn bereits befallen hatte, seine gesunden Gehirnzellen zerstörte und die Herrschaft über seinen Verstand zu gewinnen drohte. Vielleicht hatte er dies gefühlt und sich mit seinem letzten rationalen Gedanken entschlossen, der Krankheit und sich selbst ein Ende zu machen. Die Antworten auf diese Fragen konnte jetzt niemand mehr geben, und im Augenblick wollte Holman sie auch nicht wissen. Alles, was er wünschte, war Ruhe.
    Ein kalter Windstoß weckte ihn aus seiner apathischen Erschöpfung. Er legte die Hände auf die Mauer und zog sich daran hoch. Die Feuersbrunst war am Erlöschen, aber dort, wo noch Gas in Flammen stand, schoß die Lohe beinahe weißglühend in die Höhe. Über ihr stand eine gewaltige schwarzgraue Rauchsäule, die sich in der Höhe ausbreitete und eine Pilzform annahm. Die dort emporgerissene heiße Luft ließ von allen Seiten kältere Luftmassen nachströmen, die ihrerseits aufgeheizt emporstiegen und einen hoch in den Himmel reichenden aufsteigenden Strudel erzeugten. Holman konnte beobachten, wie der Nebel von dieser Luftbewegung mitgenommen und emporgesogen wurde, dadurch wurden die stürmischen Luftströmungen erst sichtbar. Es war klar, daß nicht aller Nebel auf diese Weise verschwinden würde, aber wenigstens würde ein weites Gebiet frei davon sein; der Rest würde nun, da sein Kern, sein Zentrum zerstört war, ausgedünnt und vom Wind aufgelöst werden.
    Er setzte sich wieder, den Rücken an die Mauer gelehnt, ließ die Hände über die angezogenen Knie hängen und starrte zum Himmel hinauf, wo bald der erste blaue Flecken erscheinen mußte.

22

    Holman hatte die kleine Barkasse am Landesteg nahe der Westminster Pier angebunden und den Behälter auf seinem Karren im Boot zurückgelassen; sollten die Verantwortlichen im unterirdischen Hauptquartier Leute in Schutzanzügen aussenden, den Karren zu holen, er war zu erschöpft, mehr zu tun. Länger als eine Stunde hatte er noch in der Tunnelzufahrt gewartet, bis es ihm gelungen war, den Rückweg anzutreten. Er war wieder durch den Tunnel gegangen, doch hatte er diesmal den

Weitere Kostenlose Bücher