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Unheil

Unheil

Titel: Unheil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Herbert
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schmalen Laufgang an der Seite benutzt, der etwas über der Straßenebene verlief und als Rettungsweg für Autofahrer gedacht war, deren Fahrzeuge durch einen Unfall oder eine Panne im Tunnel liegengeblieben waren. Das schmale Geländer hatte ihm als Leitlinie gedient, und nur undeutlich war das qualvolle Stöhnen und Klagen der Menschen in der Dunkelheit unter ihm an seine noch halb tauben Ohren gedrungen. Auf der anderen Seite hatte er den zertrampelten Körper des Jungen gefunden, der aus der Menge auf ihn zugekommen war, verloren und ängstlich, beherrscht von der brennenden Frage, was mit der Welt um ihn her geschehen war.
    Der Karren mit dem Behälter war noch an Ort und Stelle gewesen, und er hatte ihn zum Fluß gezogen, wo er bald ein kleines Ruderboot gefunden hatte, mit dessen Hilfe er eine weiter flußab vertäute Barkasse erreicht hatte. Das Starten des Diesels war nicht schwierig, da er einen elektrischen Anlasser hatte, und durch das einfache Mittel, die Zündkabel zu verbinden und den Stromkreis zu schließen hatte er den Motor bald in Gang gebracht. Mit Befriedigung stellte er fest, daß der Treibstofftank noch halb voll war, mehr als genug für seinen Zweck, Darauf hatte er den Karren mit dem Behälter mit Hilfe zweier Bretter von der Anlegebrücke in die Barkasse hinabgelassen, wo der Karren jetzt auf der Seite lag, unbeschädigt und zumindest für ihn unverrückbar. Während er die Barkasse in die Flußmitte hinausgelenkt und seine Fahrt flußaufwärts begonnen hatte, war die Sonne durch das fleckige Grau des Himmels gebrochen und streute, wo ihr Schein auf das bräunliche Wasser fiel, tanzende Schwärme silbriger Lichtscherben über die Oberfläche. Er konnte beide Flußufer sehen, ein Zeichen, wie groß das in den Nebel gebrannte Loch war. Noch immer wütete weit hinter ihm die Feuersbrunst, deren gewaltige Rauchsäule den Osten der Stadt verhüllte. Vielleicht würde es noch tagelang brennen, wenn die riesigen Kohlenvorräte der Gaswerke Feuer gefangen hatten. Vielleicht würde das noch mehr Menschenleben kosten, noch mehr Sachwerte verzehren, aber vor allem würde das Feuer den Nebel an sich saugen und durch die Glut läutern und auflösen. Dann würde es allmählich ausbrennen, erschöpft durch seine eigene Wildheit. Entlang den Flußufern konnte er Leute stehen und zu der pilzförmigen Rauchwolke starren sehen, bleich und stumm, erschreckt von der ungeheuren Größe, deren Anblick ihre kranken Gehirne bis zum Ausschluß alles anderen erfüllte. Die Feuersbrunst konnte nun, da der Nebel sich auflöste, in ganz London gesehen werden, und Holman hoffte, daß die lähmende Wirkung allgemein sein würde; auf diese Weise blieben den Menschen Gedanken erspart, die ihnen oder anderen nur verderblich sein konnten. Er wich nach Möglichkeit den im Wasser treibenden Leichen aus, aber viele wurden von der Barkasse beiseite gestoßen und drehten sich träge mit aufgedunsenen Leibern und Gliedmaßen im trüben Wasser.
    In der Nähe von Westminster war der Nebel noch dichter, aber auch hier begann er sich allmählich aufzulösen. Holman vertäute die Barkasse und machte sich zum Hauptquartier auf. Man hatte ihn durch die Videokameras der Fernsehüberwachung kommen sehen, aber wegen seiner abgesengten Haare, des geschwärzten Gesichts und seiner zerrissenen und blutigen Kleidung nicht gleich erkannt, doch als er gegen die nackte Betonwand im Hintergrund der Tiefgarage geschlagen hatte, war ihnen aufgegangen, wer er war, und sie hatten ihm augenblicklich die massive Tür geöffnet.
    Er berichtete ihnen von allem, was geschehen war: von der Fahrt durch die Stadt, dem Tod Masons, der Sprengung des Blackwall-Tunnels, von der Vernichtung der Mykoplasmen in der Glut der Gasexplosion. Sie überschütteten ihn mit Fragen, und er tat trotz Erschöpfung sein Möglichstes, alle zu beantworten. Schließlich beglückwünschten und lobten sie ihn, aber er wehrte ab: Professor Ryker und Hauptmann Peters verdienten den Dank, erwiderte er; ihren gemeinsamen Anstrengungen sei es zu verdanken, daß der Erreger endlich habe vernichtet werden können.
    Janet Halstead untersuchte ihn, aber nicht ehe sie ihm vor Erleichterung das rußgeschwärzte Gesicht geküßt hatte. Er hatte keine ernsten Verletzungen davongetragen, obwohl seine Schnitt- und Brandwunden sorgfältiger Behandlung bedurften. Am meisten Sorge bereiteten ihr die Blutergüsse und Abschürfungen in seinem Gesicht, die er sich zugezogen hatte, als er aus dem

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