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Unheil

Unheil

Titel: Unheil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Herbert
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beiden nach, als sie hinausliefen. Freddy hatte Clara bei der Hand genommen.
    »Morgen, Jessie.« Der Postbote lehnte sein Fahrrad vor der Tür an den Gartenzaun.
    »Hallo, Tom. Etwas für mich?«
    »Luftpost, wohl von deinem Jungen«, antwortete er und kam herein. »Das wird wieder ein schöner Tag, heute. Der schönste blaue Himmel.« Er gab ihr den Luftpostbrief mit dem blau- und rotgestreiften Rand und sah den Schatten von Traurigkeit über ihr Gesicht ziehen. »Bald ein Jahr, daß er eingezogen wurde, nicht?«
    Sie nickte und betrachtete die Briefmarken auf dem Um- schlag.
    »Weißt du, Jessie, es war nicht anders zu erwarten. Ein junger Bursche wie er... So einer hält es nicht sein Leben lang in einem Dorf aus. Er muß hinaus, etwas von der Welt sehen. Dein Andy war immer auf Abwechslung aus, hatte immer irgendeinen Unfug im Sinn. Da wird er jetzt auf sei- ne Rechnung kommen, nehme ich an.«
    Sie nickte wieder und seufzte, als sie den Umschlag auf- riß.
    »Ja, da hast du recht. Aber ich vermisse ihn doch. Er war ein guter Junge.«
    Der Postbote wiegte den Kopf von einer Seite zur anderen, dann hob er die Schultern. »Also, bis morgen, Jessie. Muß weiter.«
    »Ja, bis dann, Tom.« Sie zog das dünne blaue Papier aus dem Umschlag, begann zu lesen und lächelte, als sie Andys natürliches Ungestüm zwischen den geschriebenen Worten verspürte.
    Auf einmal fühlte sie sich schwindlig und mußte sich am Tresen festhalten. Sie legte die andere Hand an die Stirn, erschrocken über das seltsame Gefühl, das zugleich aus dem Magen zu kommen schien. Dann vernahm sie ein tiefes Grollen unter ihren Füßen. Der Boden erzitterte, auf den Regalen klirrten die Krüge und Flaschen. Das unterirdische Geräusch wurde lauter — ein tiefes Rumpeln, das ihren Kopf durchdröhnte. Sie ließ den Brief fallen und hielt sich die Ohren zu. Der Boden erbebte. Sie verlor das Gleichgewicht und brach in die Knie. Der ganze Laden schien in Bewegung zu geraten. Die Schaufensterscheibe zerplatzte, Regale stürzten um. Das Geräusch wurde ohrenbetäubend. Jessie rappelte sich auf und wankte schrei- end zur Tür; kaum war sie auf den Füßen, warfen die heftigen Erdstöße sie wieder zu Boden. Sie kroch auf allen Vieren zur Tür, angetrieben von der Furcht, das Haus werde einstürzen und sie unter sich begraben. Die Erschütterungen waren so stark, daß sie ihren Körper durchschüttelten und das alte Haus über ihr in allen Fu- gen ächzte und krachte.
    Mühsam erreichte sie die Türöffnung und sah hinaus auf die Straße, die Dorfstraße. Sie traute ihren Augen nicht.
    Der Postbote stand in der Straßenmitte und hielt mit bei- den Händen sein Rad fest. Ein riesiger Riß erschien unter seinen Füßen, weitete sich rasch zu einer tiefen Spalte und verschlang ihn. Die Spalte durchlief die Dorfstraße, erreichte Freddy und Clara, die wie versteinert Hand in Hand standen, und kurz darauf Mrs. Thackeray, die unterwegs zu Jessies Laden war. Es schien, als sei das ganze Dorf plötzlich auseinandergerissen worden. Die Straße verschwand in dem klaffenden Spalt, der sich wie ein gigantisches, gähnendes Maul auftat.
    Jessie blickte darüber hinweg und sah gerade noch, wie Mr. Papworth und die ganze Reihe der Häuser auf der gegenüberliegenden Seite von der Erde verschlungen wurden.

2

    John Holman schaltete müde zurück, bevor er den Wagen durch die Biegung der schmalen Landstraße zog. Er war unrasiert, und seinen Kleidern haftete noch die Feuchtigkeit des Morgentaus an. Um nicht von den Militärpatrouillen entdeckt zu werden, die das große militärische Sperrgebiet auf der Ebene von Salisbury bewachten, hatte er die halbe Nacht mit dem Versuch, etwas Schlaf zu finden, in einem Dickicht verbracht. Das Sperrgebiet diente als Schießplatz und Manövergelände; unbefugte Eindringlinge hatten mit strenger Bestrafung zu rechnen, wenn sie gefaßt wurden. Ein zufälliges Betreten des Gebietes war ausgeschlossen, hohe Zäune und zahlreiche Warnschilder sorgten dafür. Die Einzäunung umschloß das gesamte Sperrgebiet, und eine dichte Abschirmung aus Bäumen und Sträuchern verbarg, was dahinter lag.
    Es war widersinnig, dachte Holman, daß er die Gefahr und Unannehmlichkeit der Geheimhaltung auf sich nehmen mußte, obwohl er im Dienst derselben Regierung stand. Aber die Ministerien für Verteidigung und Umwelt konnten offenbar nicht Hand in Hand arbeiten, und das erstere hielt Informationen zurück und schirmte sich gegen Erkundigungen ab, als ob es

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