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Unheilvolle Minuten (German Edition)

Unheilvolle Minuten (German Edition)

Titel: Unheilvolle Minuten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Cormier
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Augenblick nichts tun konnte. Die anderen waren in der Überzahl; er war nicht in der Lage, das Haus zu stürmen und das Mädchen zu befreien.
    Und so wartete er. Auf Warten verstand er sich gut. Er schloss die Augen und machte sie wieder auf. Im Haus war es immer noch dunkel. Und still. Waren sie fort? Hatten sie sich leise davongeschlichen, während er die Augen geschlossen hatte?
    Plötzlich waren sie wieder da, tauchten ins Dunkel und flitzten wieder hervor, rannten durch die Zimmer, diesmal nicht schreiend, sondern stumm, und in der Eile stolperten sie übereinander. Der Rächer wich vom Fenster zurück. Er konnte es sich nicht leisten, entdeckt zu werden. Es war wichtig, im Verborgenen zu bleiben. Den rechten Augenblick kommen zu lassen. Zu warten.
    Worauf warten?
    Auf seine Rache.
    Ich bin der Rächer, flüsterte er in die Nacht hinein. Und ich werde Rache nehmen für alles, was im Haus geschehen ist.
    Er wusste, dass er Geduld haben musste. Er musste ihre Namen in Erfahrung bringen und sie aufspüren, einen nach dem anderen. Er musste seine Vorgehensweise planen. Aber darin war er Meister, hatte lange Stunden mit Beobachten, Spionieren, Belauschen zugebracht. Er war erfahren in der Kunst, Pläne zu schmieden und sie dann systematisch durchzuführen, Schritt für Schritt. So wie damals mit Vaughn Masterson. Man musste wissen, wann die richtige Zeit zum Zuschlagen gekommen war, und den richtigen Ort dafür kennen.
    Als die Zerstörer das Haus verlassen hatten, waren die Tränen auf den Wangen des Rächers kalt und hart geworden, wie kleine Glassplitter.
    Zwei Stunden nach ihrer Rückkehr war Jane Jerome immer noch wie benommen. Sie war im Krankenhaus gewesen, wo ihre Schwester Karen auf der Intensivstation lag und an allen möglichen Geräten hing, deren Piepstöne wie kleine Schmerzensschreie klangen. Von Karens Körper waren nur Gesicht und Hände sichtbar gewesen. Ihr Gesicht, eingehüllt in Weiß und wie das Gesicht einer Fremden, schien in all diesem Weiß zu schweben. Ihre Hände waren winzig klein und hilflos, die Finger leicht nach innen gebogen.
    Jane hätte am liebsten diese Hände ergriffen, sie an ihre Wange gedrückt, sich entschuldigt und um Verzeihung gebeten. Am Abend des Überfalls hatte sie sich mit Karen gestritten. Der übliche, dumme Streit. Karen schnorrte gern, lieh sich ständig Janes Sachen, ohne vorher zu fragen, benutzte ihr Parfüm, trug ihre Blusen und Pullover. Das alles war ziemlich erniedrigend, denn Jane war zwei Jahre älter und Karen hätte die kleine Schwester sein sollen. Stattdessen war sie voll entwickelt, trug Janes Größe, hatte aber mehr Modebewusstsein. Sie improvisierte, nahm sich einen von Janes Pullovern, kombinierte ihn mit einem Tuch, das ihr selbst gehörte, und – trallala, schon war sie fantastisch ausstaffiert.
    Von Schuldgefühlen geplagt kauerte sich Jane im Hobbyraum in den großen Ledersessel ihres Vaters und hörte zu, wie er nebenan im Wohnzimmer mit dem Inspektor sprach. Ihre Gewissensbisse waren vor allem deshalb so heftig, weil sie Karen angeschrien hatte: Kannst du nicht bitte einen Unfall haben? Das war in diesem Jahr an der Burnside Highschool einer der Lieblingssprüche. Natürlich war das, was Karen passiert war, noch viel schlimmer als ein Unfall, schlimmer, als vom Auto angefahren zu werden. Es war gewalttätig, brutal, persönlich. Im Vergleich dazu schien der Schaden am Haus nur geringfügig. Aber nicht wirklich geringfügig. Beide Attacken hatten verheerende Folgen. Jane wusste, dass ihr Leben in diesem Haus nie mehr so sein würde wie zuvor.
    Komisch. Als ihr Vater aus Monument hierherversetzt worden war, hatte sie das Haus zuerst genauso gehasst wie die Burnside Highschool. Sie fand es schrecklich, die Monument Highschool verlassen zu müssen, ihre alten Freunde und Klassenkameraden, von denen sie einige schon seit dem Kindergarten kannte. Aber im Lauf der Monate hatte sie in der Schule Freundschaften geschlossen – allen voran mit Patti Amarelli und Leslie Cairns. Die beiden hatten ihr die Sehenswürdigkeiten gezeigt, vor allem das Einkaufszentrum in der Innenstadt von Wickburg mit dem Springbrunnen und Läden wie Filene und Brooks . Und den irren Laden auf der zweiten Ebene, in dem sie die Poster gekauft hatte, die in ihrem Zimmer an der Wand hingen. Und den Pizza Palace , wo sich Jungen und Mädchen trafen, um dort zu essen und abzuhängen.
    Das ConCenter lag gegenüber vom Einkaufszentrum und alle großen Stars traten dort

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