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Unheilvolle Minuten (German Edition)

Unheilvolle Minuten (German Edition)

Titel: Unheilvolle Minuten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Cormier
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irgendeinem sagenumwobenen Stadtbezirk und nicht der Sohn eines bekannten Architekten. Harry war vermutlich der weißeste Junge, den Buddy überhaupt kannte. Blond, trug weiße Malerhosen, weiße Socken, weiße Nikes.
    »Das habt ihr gut gemacht, echt spitze, bloods «, sagte Harry. »Habt euch super an die Anweisungen gehalten.« Zerschlagt keine Fenster; das war die einzige Anweisung, die Harry erteilt hatte. »Super, super.« Redete immer noch seine Version von schwarzem Slang. Letzte Woche hatte er sich einen britischen Akzent zugelegt, nachdem er im Kabelfernsehen einen alten Film über britische Soldaten in Indien gesehen hatte. Er hatte es »Indjen« ausgesprochen.
    Seit sie aus dem Haus geflohen waren, hatte niemand den Ort der Vergewaltigung erwähnt. Als sie am Shelton Park anhielten und sich am Springbrunnen säuberten, hatte Buddy mit verstohlenen Blicken die Gesichter der anderen gemustert. Die Bewegungen, mit denen sie sich Wasser ins Gesicht spritzten, waren ruhig und sicher. Marty putzte einen unsichtbaren Schmutzfleck von seiner Fliegerjacke aus Wildleder. Die Jacke sah alt aus, war aber neu. So neu, dass sie dreihundert Dollar wert war. Buddy wusste, wie viel die Jacke gekostet hatte, weil Marty alles mit Preisschildchen versah. Auch Randys Jeans sah alt aus, war aber neu. Wir zahlen einen Haufen Geld dafür, dass unsere Sachen alt aussehen, dachte Buddy. Wie immer war Harry Flowers wie aus dem Ei gepellt. Makellos sauber. Das blonde Haar so ordentlich, dass es wie eine Perücke aussah. Das gut aussehende Gesicht ohne Blessuren. Es strahlte ruhige Heiterkeit aus, während er sich die Hände wusch.
    Als sie wieder im Wagen waren, hatten Marty und Randy ihre lächerliche Unterhaltung über Hamburger und Hotdogs begonnen und waren dann verstummt. Außer Buddy schien die Stille niemandem im Auto etwas auszumachen.
    Schließlich fragte er: »Warum hast du gerade dieses Haus ausgesucht, Harry?« Er hatte andere, wichtigere Fragen zu stellen, aber irgendwo musste er ja beginnen.
    »Mehr Glück als Verstand, blood .«
    Wieder dieses blood .
    »Ohne Verstand kein Glück«, rief Randy vom Rücksitz nach vorn.
    Randy Pierce folgte Harry wie ein übergroßes Hündchen durch die Schule. Wenn Harry ihm auch nur die geringste Aufmerksamkeit schenkte, wedelte er mit seinem unsichtbaren Schwanz. Marty Sanders war eine kleinere Ausgabe von Harry Flowers, dünn und drahtig, wollte sich gern cool geben, wobei ihm aber seine spitze Zunge im Weg stand. Er hatte eine Neigung, in allen Lebenslagen mit einem flotten Spruch aufzuwarten.
    Als Buddy die beiden zum ersten Mal gesehen hatte, war ihm blitzartig die Erinnerung an einen alten Film gekommen, den er im Fernsehen gesehen hatte: Abbott und Costello treffen Frankenstein . Marty war eindeutig Abbott, der Helle, der die Handlung bestimmte, während Randy Costello war, der Trottel mit Übergewicht, der oft völlig verwirrt dreinschaute.
    Harry bog auf den North Boulevard ein. Buddy sah zu ihm hinüber und kam zu dem Ergebnis, dass Harry Frankenstein war, der Arzt, der das Monster geschaffen hatte.
    Und wer ist das Monster?, fragte sich Buddy. Er erinnerte sich an seinen Anteil an der Zerstörung und an seine Unfähigkeit, gegen das einzuschreiten, was dem Mädchen angetan wurde. Und er dachte: Vielleicht bin ich’s. Aber ich bin kein Monster . Sagten das aber nicht alle Ungeheuer?
    »Wir hätten das Mädchen nicht so liegen lassen dürfen«, hörte Buddy sich sagen.
    »Was sagst du da?« Harrys Stimme klang brüchig. Langsam hielt er den Wagen an, unter einer Straßenlaterne, deren Licht einen gespenstischen Schein auf die Gesichter warf. Mit einem Gesicht, das starr und lilafarben war, wandte sich Harry zu Buddy um.
    »Jetzt hör mir mal gut zu, Buddy«, sagte er und aus seiner Stimme war jede Spur von einem schwarzen Slang verschwunden. »Ihr wolltet euren Spaß, und wir hatten unseren Spaß …«
    »Das war kein Spaß«, sagte Buddy. »Ein Mädchen vergewaltigen – Himmel noch mal!« Er hatte einen Drink dringend nötig und bedauerte es jetzt, die Wodkaflasche im Haus des Mädchens zurückgelassen zu haben.
    »Bist du neidisch?«, erklang Martys Stimme vom Rücksitz.
    »Sie wurde nicht vergewaltigt«, sagte Harry. »Für eine Vergewaltigung hatten wir gar nicht die Zeit. Wir sind nicht mal dazu gekommen, ihr das hübsche, kleine weiße Höschen auszuziehen.«
    »Aber du hast sie die Treppe runtergeschmissen«, sagte Buddy. Er hörte Harry Luft holen und fragte sich,

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