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Unnatural History

Unnatural History

Titel: Unnatural History Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Green
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gegen Mitternacht«, antwortete der Pathologe, der den Körper zuvor begutachtet hatte. »Vermutlich kurz danach.«
    »Wurde etwas von der Leiche entfernt?«
    »Nein«, warf ein weiterer Techniker ein, »wie es scheint, nicht.«
    Ulysses trat zurück und überließ es den Weißkitteln, ihre Arbeit zu beenden. Er hatte zwar sein Mordopfer gefunden, doch wie Wormwood sagte, sollte es auch einen Einbruch gegeben haben. Was also war entwendet worden?
    Hinter ihm hingen die Reste einer zerstörten Tür in den Angeln und gaben die Sicht auf ein ebenso zerstörtes Büro frei. Polizisten beschäftigten sich bereits mit diesem Abschnitt. Ulysses näherte sich mit vorsichtigen Schritten, winzige Glasscherben knirschten unter seinen Absätzen. Am Eingang des Büros hielt er inne, um den Schlamassel vom Türrahmen aus etwas genauer betrachten zu können. Dann, in dem gedämpften Sonnenlicht, das in die Galerie floss, erhaschte Ulysses einen Blick auf etwas, nicht mehr als ein Fädchen – etwas, das Inspector Allardyce’s Leute übersehen hatten. In dem gesplitterten Holz hingen drei rötlich-braune Haare. Auf den ersten Blick erinnerten sie Ulysses an grobes Tierhaar. Keineswegs hatten sie einst dem ermordeten Nachtwächter gehört; dafür hatten sie die falsche Farbe.
    Die Polizisten und Wissenschaftler um ihn herum waren so mit ihrer eigenen Arbeit beschäftigt, dass ihm keiner auch nur die leiseste Beachtung schenkte, als Ulysses ein kleines Beweismitteltütchen aus seiner Manteltasche zog, eine Pinzette aus einer anderen, die Haare aus dem Türrahmen fischte, ohne sie mit der bloßen Hand zu berühren, das Tütchen sorgfältig versiegelte und zurück in seine Tasche steckte. Dann erst betrat er das Bürolabor.
    Der Raum war ein einziges Chaos. Der Grad der Verwüstung deutete an, dass mehr als ein bloßer Raub stattgefunden haben musste. Außerdem hatte es offensichtlich einen Streit gegeben.
    Trotz der Überbleibsel, die nun den gesamten Raum und den Boden bedeckten, konnte sich Ulysses ein Bild davon machen, wie das Labor wohl ausgesehen haben mochte, bevor dort eingedrungen wurde.
    Einst waren darin wohl Bücherbretter und Regale gewesen, die alle möglichen Wissenschaftsjournale und Nachschlagewerke enthielten, Tische über und über mit Destillationsapparaten, wo nun nur noch eine große Menge zerbrochenen Glases lag. Einer der Tische war umgedreht worden und eines seiner Beine abgebrochen. Schief an der Wand hing der gerahmte Druck eines Cartoons aus einem der klassischen Punch-Magazine, auf dem Darwin verunglimpft wurde. Flecken bedeckten Teile der Möbel und ebenso die Wände, was darauf hinwies, dass ein Behälter mit einer Flüssigkeit zerschmettert und in dem Raum verspritzt worden war. Inmitten dieses Durcheinanders entging Ulysses’ geübten Augen dennoch nicht, dass tatsächlich etwas fehlte. Mit Bedacht, damit er nicht den Halt in all dem Müll auf dem Boden verlor, bahnte er sich seinen Weg zur am weitesten entfernten Ecke des Raumes. Hier stand ein Schreibtisch mit einem umgedrehten Tintenfässchen darauf, dessen blau-schwarze Flüssigkeit über die meisten Papiere gelaufen war. Inmitten der Sauerei von Unterlagen erkannte er jedoch seltsamerweise eine saubere Stelle, als hätte etwas auf dem Tisch gestanden und wäre erst fortgenommen worden, nachdem die Papiere in diese Unordnung gebracht worden waren.
    Ulysses räumte die Blätter fort. Dort, in dem brüchigen grünen Leder der Schreibtischoberfläche, prangte eine deutliche Kerbe, wo zuvor etwas Kantiges und relativ Schweres gestanden haben musste. Auch an den Wänden selbst fand er Beweismittel in Form von Verfärbungen in der Wandfarbe, die auf langfristige Hitzeeinwirkung hindeuteten. Ulysses inspizierte die Größe und die Position der Verfärbungen. Etwas Heißes und Kastenförmiges; etwas wie eine kleine Differenzmaschine, das war es wohl, was der mysteriöse Dieb aus diesem Hort des friedlichen, wissenschaftlichen Erforschens entwendet hatte. 
    Ulysses’ Blicke überflogen den Raum noch einmal, doch er war sich sicher, dass er genug gesehen hatte. Zudem legte er Wert auf eine private Meinung zu dem Inhalt in seiner Tasche. Vorsichtig trat er den Rückweg durch das Büro an. Doch noch etwas war hier, nagte es am Rande seines Unterbewusstseins. Es handelte sich nicht um etwas, das er gesehen hatte, sondern um etwas, das er roch, eine ranzige Ausdünstung, die sich in seiner Kehle festsetzte und die seinen Kopf mit nur noch mehr Fragen

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