Unnatural History
Hüpfer auf einen Säulenvorsprung. Nun konnte Ulysses auch die Kette um seinen Hals genau erkennen und etwas, dass wie ein silberner Anhänger aussah.
Das Biest blickte Ulysses einen Moment an. In seinen Augen glänzte eine Mischung aus gehetzter animalischer Angst und bösartigem Hass. Dann schleuderte die Kreatur herum. »Palmerston!«, brüllte Ulysses.
Der Affenmann landete gerade mit einem klirrenden Getöse auf der Wirbelsäule des Diplodokusskeletts, als die Museumstür aufbarst und die beiden Polizeidronen in das Gebäude marschierten.
»Halt! Im Namen des Gesetzes!«, hörte Ulysses die künstliche Sprachausgabe von Palmerston verkünden. Die Kreatur hingegen dachte gar nicht daran, sich im Namen des Gesetzes oder wem auch immer etwas sagen zu lassen. Der Diplodokus schwankte gefährlich, während der Affenmann ihn umklammerte und haltsuchend nach Rippen und Wirbeln griff, die ihm bei seinem Flug durch die Halle Halt geben konnten. Ein weiterer Schuss hallte durch das Museum und ein prähistorisches Schulterblatt explodierte in einer Wolke aus Staub und Knochenfragmenten.
»Wir wollten ihn doch lebendig!«, schrie Ulysses.
Die beiden Constables standen nun unterhalb des Diplodokus, den strampelnden Affenmann auf dem Skelett kreisend über sich. Die Kreatur fand mit einer Hand Halt im Nacken des Fossils, schwang sich über die Köpfe der Automaten und schleuderte sich selbst auf die Eingangstür zu. Gerade als sie den Boden berührte, gaben die Kabel nach, die mit dem Kopf des Relikts verankert waren, und der Schädel des Dinosauriers krachte zu Boden, wobei der Kiefer auf dem harten Steinboden zerbarst.
Mit einem Sprung war der Affenmann durch die Tür verschwunden. Nur einen Moment später taumelte Ulysses durch die verblüfften Androiden und stürmte ebenfalls durch die Tür, der Kreatur nach, nur, um sie in die Nacht entschwinden zu sehen, von Laterne zu Laterne schwingend wie ein Affe durch den Dschungel. Mit durchdrehenden Reifen preschte der Silver Phantom hinterher und wich einem schleichenden Omnibus aus, als Nimrod die Verfolgung aufnahm.
»Haben wir es erwischt?«, japste Geneviève. Sie hatte sich mit den Händen auf den Knien abgestützt und rang nach Atem. Ein irrer Glanz funkelte in ihren Augen, der so gar nicht zu der sittsamen jungen Dame passen wollte, die Ulysses gerade einmal eine Stunde zuvor kennengelernt hatte.
»Das haben Sie mit Sicherheit.« Der Dandy konnte nur schwerlich die Missbilligung in seiner Stimme verbergen.
»Ja, doch wo ist es jetzt hin?«
»Was is´ hier los?« Die beiden Roboterpolizisten traten nun zu ihnen auf die Stufen.
»Ich glaube, wir haben Ihren Mörder verschreckt«, murmelte Ulysses.
Ein statisches Rauschen knisterte, als die Polizeidrohne ihr eingebautes Funkgerät benutzte, um die zuständige Stelle von Scotland Yard über die Flucht in Kenntnis zu setzen. Eine Hupe ertönte von irgendwoher und der Silver Phantom tauchte bei den eisernen Gattern des Museums auf. Gerade als Nimrod ausstieg, war Ulysses bereits die Hälfte des Hanges hinunter geeilt.
»Ich bitte um Verzeihung, Sir, doch wie ich befürchte, habe ich den Affen aus den Augen verloren.«
Ulysses seufzte. Sein erster richtiger Anhaltspunkt in diesem vermaledeiten Fall war ihm entwischt. Dennoch, erinnerte er sich selbst, als er die Tasche seines Jacketts tätschelte, war es nicht sein einziger Anhaltspunkt. »Keine Sorge, Nimrod«, sagte er.
Geneviève gesellte sich zu ihnen, die Drohnen dicht hinter sich.
»Haben Sie zufällig erkannt, was dieses Ding unter seiner Bekleidung um den Hals trug?«, fragte Ulysses sie.
»Aber ja«, meinte sie offensichtlich ein wenig aufgewühlt, der irre Ausdruck war aus ihren Augen verschwunden und einer naiven Betroffenheit gewichen. »Es war mein Anhänger.«
»Ihr Anhänger?«
»Nun, damit meine ich, es war der Anhänger meines Vaters, aber er hatte ihn von mir. Es war ein Geschenk. Dieses Ding muss es ihm weggenommen haben. Es muss also etwas mit seinem Verschwinden zu tun haben!«
Schwermütig blickte Ulysses Geneviève an und nahm ihre Hände erneut in die seinen.
»Geneviève«, sagte er behutsam, »Ich weiß nicht, wie ich es Ihnen sagen soll, aber ich glaube nicht, dass dieses Ding den Anhänger ihrem Vater weggenommen hat. Um ehrlich zu sein, glaube ich auch nicht, dass Ihr Vater entführt wurde.«
»W–was meinen Sie? Sagen Sie nicht, dass Sie annehmen er sei to…« Sie verstummte, völlig überwältigt von ihren Emotionen. Ihre
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