Unruhe: Der erste Fall für Kommissar Steen (German Edition)
durchgesehen. Sonne hat seine Tasche abgestellt. Lasso hat sie mitgenommen, und Sonne hat sich mit einer anderen Tasche davongemacht.«
»Warum haben Sie mich nicht angerufen?«
»Warum haben Sie mich nicht angerufen?«, gab sie kalt zurück.
Er rief »Okay« in Richtung Flur.
»Ist er hier? Wer ist in der Wohnung?«, fragte sie und schob die Pistole ins Holster. Sie bemerkte die Tür und sah ihn mit einem verblüfften Blick an.
»Sind Sie hier eingebrochen?«
»Nein, wir haben einen ungebetenen Gast, der seine eigenen Nachforschungen betreibt«, sagte Axel und folgte ihr in den Flur, wo Liz an der Wohnungstür lehnte und aussah, als sei sie am Ende ihrer Kraft. Axel berichtete Henriette Nielsen, was Liz ihm erzählt hatte.
»Sie muss eine Aussage machen, aber abgesehen von diesem Einbruch ist sie sauber. Jemand muss sie ins Präsidium bringen.«
Henriette Nielsen sah ihn wütend an.
»Ich bin nicht Ihr Gefangenentransport. Ich bin hier, um die Wohnung zu durchsuchen. Wenn Sie wollen, dass sie ins Präsidium gebracht wird, dann müssen Sie das schon selbst übernehmen«, sagte sie und ging in das Zimmer, in dem Liz auf dem Boden gekniet und Sonnes Papiere durchwühlt hatte.
Axel war kurz vor einem Wutanfall. Henriette Nielsen kam wieder heraus und zog sich Gummihandschuhe über.
»Und? Was ist? Was starren Sie mich so an? Schicken Sie siedoch einfach runter zu den Kollegen, die können sie ja dann ins Präsidium bringen«, sagte sie über die Schulter hinweg und schaute sich in der Wohnung um.
Sie hatte Davidi die Drogen gegeben und wollte sich um nichts in der Welt die Möglichkeit entgehen lassen, Sonne für sein Verbrechen zur Strecke zu bringen. Und nach dem Desaster mit Moussa hatte sie das auch bitter nötig. Axel hatte ihn unterschätzt, den Ehrgeiz, den eiskalten Ehrgeiz, jetzt, da sie kurz vor dem Ziel stand.
Sie wussten beide, wonach sie suchten. Sonne war weg, er musste irgendwo ein Versteck haben.
Über Funk kontaktierte Axel die Kollegen im Wagen unten vor dem Gebäude und gab ihnen Bescheid, er werde eine Frau runterschicken, die in Empfang genommen und zum Bunker chauffiert werden müsse, es bestehe ein geringes Restrisiko. Dann bat er Liz, auf die Straße zu gehen, wo die Polizei sich um sie kümmern würde.
Dann nahmen Henriette und er die Wohnung Zimmer für Zimmer unter die Lupe. In Sonnes Büro fanden sie Rechnungen dreier Telefongesellschaften – Axel rief in der Einsatzzentrale an und veranlasste die Ortung aller Nummern. An einer Wand in der Küche hingen gelbe Post-it-Zettel und eine Postkarte von Laila und Louie aus Korfu: Hej, Schatz. Wir genießen die Sonne. Freuen uns darauf, dich wiederzusehen. Kuss Laila und Louie. PS ! Hier gibt es Wasserrutschen und einen Kinderklub! Sie stammte aus dem Jahr 2002. Neben der Karte klebte ein Zeitungsausschnitt über Übergriffe der Polizei auf Demonstranten in der Nørrebrogade am Donnerstagnachmittag, darüber hing ein Schlüsselbund, den Axel einsteckte, doch gab es keine offensichtlichen Spuren, keine Waffe, keine Drogen, keine Videokamera, kein Blut oder irgendetwas anderes, das darauf hingedeutet hätte, dass Piver in der Wohnung misshandelt worden war.
Axel durchsuchte einen Papierstapel im Büro: alte Briefe, Manuskripte, Zeitungsausschnitte. Auf einem Umschlag stand ›Makedonien‹. Darin fand er eine Reihe Artikel und Kolumnenvom März 2001, die in hochdramatischer Sprache von verschiedenen Kriegsereignissen berichteten.
Seit Axel den Blågårds Plads verlassen hatte, ging er sämtliche Details des Falls immer wieder durch. Wo war die Verbindung zu Sonne? Wie war er an die Drogen gekommen? Und hieß das, dass er Davidi ermordet hatte? Was war in Makedonien passiert?
Die Papiere gaben keine Antworten. Stanca Gutu wurde nirgends erwähnt, aber Axel war sicher, dass ihr Tod eine Rolle spielte.
Henriette Nielsen erschien im Türrahmen und wedelte triumphierend mit einem Stück Papier: die Schenkungsurkunde einer Ferienhütte in Asserbo.
»Jetzt haben wir ihn«, sagte sie. »Verdammt, jetzt haben wir ihn.«
Im selben Moment knisterte es in Axels Funkgerät.
»Ich wollte nur mal wegen dieser Frau nachfragen, die du runtergeschickt hast.«
»Warum? Was ist mit ihr?«
»Tja, hier sind zwei Mann, die sie abholen sollen.«
»Ja und?«
»Na ja, sie wurde doch schon abgeholt. Ein Kollege ist mit ihr aus dem Treppenhaus gekommen.«
»Dann hat da wohl irgendjemand was verbockt.«
»Ich dachte nur, ich frage mal nach, weil mir
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