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Unscheinbar

Unscheinbar

Titel: Unscheinbar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anja Berger
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sie die beiden böse anzufunkeln. Es zeigte aber keine Wirkung. Oder sie merkten es nicht.
    Wie unfair.
    Emma beschloss, sich selbst auch ein wenig zu helfen. Sie stützte sich mit einer Hand auf dem Bettpfosten ab und erhob sich langsam. Das klappte ganz gut. Als ihr Gewicht ganz auf den Füssen lastete, schoss ein stechender Schmerz durch ihren Körper.
    Emma sog scharf die Luft ein.
    Sofort erstarb der Anflug von Humor aus den Gesichtern von Alice und Ben. Sie stürzten beide auf Emma zu und griffen ihr unter die Arme. Im wahrsten Sinne des Wortes.
    „Geht schon.“ Ihre Zähne begannen zu klappern.
    „Unser eingefrorenes Stadthühnchen scheint ihren Körper tatsächlich langsam wieder anzuheizen.“ Ben erinnerte sich an die Frostbeulen an den Ohren und an die steifen Finger, als er einmal zu lange draussen, bei 20°C unter null, Eishockey ohne Ausrüstung gespielt hatte. Als seine Finger und Füsse wieder auftauten, waren das höllische Schmerzen. Die Ohren waren wenigstens nur heiss geworden.
    „Wir stellen dich unter die Dusche.“ Alice und Ben begleiteten Emma bis zum Badezimmer. Dort angekommen fragte Alice dann noch: „Bekommst du das hin?“
    Ihr war nicht entgangen, dass Emma von Meter zu Meter an Kraft zurückgewann.
    Emma nickte.
    „Gut. Hier.“ Alice reichte ihr den Schlafanzug. „Der ist schön warm. Im Schrank unter dem Waschbecken habe ich noch ein paar flauschige Finken. Die ziehst du nach der Dusche an. Lass dir Zeit.“
    Damit war Emma entlassen. Sie trottete ins Badezimmer und zog die Tür hinter sich zu.
    „Das wird ganz schön schmerzen, wenn sie wieder warm wird“, gab Ben zu bedenken. „Sollten wir noch einen Arzt holen? Wer ausser Phil und sein Vater versteht hier noch was von Medizin?“ Es war schon eine Weile her, seit Ben sich darüber Gedanken machen musste.
    „Das wird nicht nötig sein. Sie wird’s überstehen.“ Alice lächelte in sich hinein. Schön, den alten Ben mal wieder zu Gesicht zu bekommen.
     
    Alice und Ben sassen im Wohnzimmer. Der Fernseher lief. Aber keiner konzentrierte sich auf das, was über die Mattscheibe flimmerte. Beide lauschten auf das Geräusch des Wassers in den Rohren.
    Jetzt hörte es auf. Emma hatte das Wasser abgedreht.
    Angespannt warteten sie weiter.
    Das Scharnier der Badezimmertür quietschte. Der Holzboden über ihnen knarzte.
    Emma hatte das Bad verlassen. Den Geräuschen zufolge war sie auf dem Weg in das Schlafzimmer.
    Alice und Ben sahen sich an. Sie warteten noch einige Minuten, aber aus dem oberen Stock drangen keine Geräusche mehr.
    Gleichzeitig standen sie auf und gingen zur Treppe. Leise schlichen sie nach Oben.
    Die Tür zu Bens altem Zimmer war nur angelehnt. Vorsichtig spähten sie hinein. Das Licht war noch an. Emma sass auf dem Bett. Nicht unter der Decke, darauf. Die Pantoffeln hatte sie noch an. Das Handtuch war um die Haare geschlungen. Auf ihrem Schoss lag ein offenes Buch. Alice hatte ihr noch Brote gestrichen, für den Fall das Emma Hunger bekam. Die Brote standen auf dem Nachttisch. Eins war angebissen.
    Alles deutete darauf hin, dass Emma noch eine Weile wach bleiben wollte. Aber ihre Augen waren zu. Der Kopf lehnte entspannt an der Wand hinter dem Bett.
    Alice wandte sich an Ben. „Leg dich zu ihr.“
    Ben wich zurück. „Wie bitte?“
    „Jetzt sieh mich nicht so an. Sie war unterkühlt. Sie braucht auch jetzt noch Wärme. Und was empfiehlt sich als beste Wärmequelle für einen unterkühlten Körper? Ein anderer Körper. Du kannst mir ruhig glauben. Haben die das in deinen Filmen nie gemacht?“
    „Doch. Nackt.“
    „Genau.“
    Er hatte seine Mutter eigentlich abschrecken wollen. Mit Zustimmung hatte er nicht gerechnet. „Ist das dein Ernst?“
    „Natürlich. Es muss ja nicht gleich ganz nackt sein. Aber du bist nun einmal der Ofen in unserer kleinen Familie. Was du an Hitze ausstrahlst, wenn man dich im Arm hat, ist nicht zu überbieten. Na los!“ Alice legte den Arm um Ben, damit er an ihr vorbei ins Zimmer ging. Als sie seinen Widerwillen bemerkte, setzte sie noch einen drauf. „Oder soll ich?“
    Das zeigte Wirkung. „Schon gut.“ Ben schob sich leise in das Zimmer.
    Zuerst nahm er das Buch von Emmas Schoss und klappte es zu. Als er den Titel las, konnte er nur den Kopf schütteln. Schweizer Sagen. Nicht einmal jetzt konnte sie es lassen.
    Er legte das Buch beiseite. Das hatte Zeit bis morgen. In diesem Zustand konnte man sowieso nicht klar denken.
    Ben schlug auf der Seite des Bettes die Decke

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