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Unscheinbar

Unscheinbar

Titel: Unscheinbar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anja Berger
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ihr Kopf die Wasseroberfläche. Gierig rang sie nach Luft. Sie riss die Augen weit auf. Unaufhörlich ergoss sich neues Wasser über sie. Dennoch sah sie klar, wie noch selten zuvor.
    Jetzt nach etwas greifen, sonst wäre sie verloren.
    Sie hielt sich über Wasser, blinzelte heftig. Und entdeckte schliesslich einen Vorsprung, der immer wieder aus dem Wasser hervorlugte.
    Ihre Arme arbeiteten automatisch. In fast übermenschlich kraftvollen Zügen erreichte sie den Vorsprung. Sie griff danach. Sie konnte sich fast nicht festhalten. Ihre Finger waren taub vor Kälte. Aber irgendwie schaffte sie es. Sie brachte es fertig, sich soweit zu dem Vorsprung zu ziehen, dass sie aus der gröbsten Strömung raus kam. Keuchend und hustend umklammerte sie ihren Rettungsanker.
    Sie schaffte es ans sichere Ufer. Dort angekommen liess sie sich erschöpft auf den Rücken fallen. So lag sie schwer atmend da und starrte in den Himmel.
    Der Vorfall hatte nur wenige Minuten gedauert.
    Für Emma waren es die längsten Minuten ihres Lebens gewesen.

Strang 1 / Kapitel 27
     
    Er stand verborgen im Schatten der Steine. Nur ein kleines Stück unterhalb der Nische. Aber ausserhalb des Wasserfalls. So, dass er erkennen konnte, was in der Nische vor sich ging, wenn auch nur anhand ihres Schattens, den die Lampe an die Felsen warf. Aber auch so, dass er nicht verpasste, was geschah, wenn sie in die eisigen Fluten stürzte.
    Er selbst trug einen Neoprenanzug.
    Nur zur Sicherheit.
    Während er aus seinem Versteck auf dieses zitternde, bibbernde Häufchen Elend herabsah, beglückwünschte er sich.
    Sie hatte funktioniert, wie er es erwartet hatte.
    Zuerst hatte er mit dem Licht ihre Aufmerksamkeit erregt. Dann hatte er den Schrei auf dem Aufnahmegerät abgespielt.
    Sein Ziel immer mit dem Fernglas im Blick.
    Wie sie zusammengezuckt war, war sehr erfrischend gewesen. Unschlüssig hatte sie dagestanden. Unwiderstehlich.
    Das darauffolgende Gewimmere und Gestöhne hatte seinen Zweck ebenfalls erfüllt. Sein absoluter Favorit war aber der Hilfeschrei gewesen.
    Sie war losgerannt, wie von der Wespe gestochen.
    Zum Todlachen.
    Zwischen ihrem Schnellstart und der Ankunft am vermeintlichen Unfallort war dennoch genug Zeit geblieben.
    Unter das Jacket seines Opfers hatte er das gut verpackte Kassettengerät gestopft, das die immer schwächer werdenden Hilferufe abspielte.
    Diese Töne aufzunehmen war ein Leichtes gewesen. Dieser verwöhnte Arsch hatte gewinselt wie ein kleines Baby, als man ihn im wahrsten Sinne des Wortes aus dem Verkehr gezogen hatte. Für den lauten Schrei hatte er etwas drastischere Massnahmen anwenden müssen. Das Absägen des Arms war eine grausame Schweinerei gewesen. Ihm die Beine zu brechen glich einem Zuckerschlecken.
    Und wie gut hatte es getan, diesen Abschaum der Menschheit zu schlagen. Beinahe hätte er ihn zu Tode geprügelt, aber er hatte sich gerade noch rechtzeitig beherrschen können. Schliesslich hatte er die Hände mit Klebeband gefesselt, um den Kopf herum hatte er die blinkende Stirnlampe gebunden und sein Lockvogel war bereit gewesen.
    Dann hatte er diesen Schlipsträger, den sie Joschua nannte, die Beine voran unter den Felsvorsprung geschleppt.
    Zwar morste dieses krepierende Wesen auf diese Weise nur noch den Fels an, aber das war nicht wichtig. Hauptsache, es blinkte.
    Das weitere Anlocken mit den Lichtzeichen hatte er selbst übernommen.
    Behutsam war er anschliessend über die Fläche, die er mit Schmierseife präpariert hatte, gestiegen.
    Wäre sie nicht darauf ausgeglitten, hätte er sie auf andere Weise zu Fall gebracht. Wichtig war schlussendlich nur gewesen, dass sie im Wasserbecken landete. Wie, war egal.
    Obwohl es schade um seinen Aufwand gewesen wäre, hätte sie die Schmierseife nicht zu Fall gebracht.
    Nachdem er auch die Puppe positioniert hatte, war er wieder in sein Versteck hinuntergeklettert.
    Keine Sekunde zu früh, wie sich herausstellte, denn gleich darauf war sie aufgetaucht und das Schauspiel hatte seinen Lauf genommen.
    Die Falle schnappte zu. Sie stürzte.
    Dass sie eine Weile brauchen würde, um aus dem eisigen Wasser herauszufinden, war ihm klar gewesen. Aber so lange?
    Für einen kurzen Augenblick bangte er um seine Spielfigur. Hätte sie sich nicht gerettet, hätte er es tun müssen. Das war ihm jetzt klar. Früher im Spiel wäre es egal gewesen. Aber so kurz vor dem Ziel wollte er seine Spielfiguren nicht mehr verlieren.
    Die Erregung trocknete seinen Mund aus. Er fuhr mit der Zunge

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