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Unscheinbar

Unscheinbar

Titel: Unscheinbar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anja Berger
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dämmerte Erwin, was Gregor sagen wollte. „Sekunde. Willst du mir mitteilen, dass du die Buchhaltung nicht gemacht hast?“
    „Jetzt hat er’s!“, rief Gregor in Richtung des schmutzigen Fensters. Als stünde da sein Publikum.
    „Gregor.“ Erwin atmete schwer aus. „Es ist gut. Es muss nicht heute sein. Aber bitte, mach deine Arbeit. Gib mir die Bücher Ende Woche. In Ordnung?“
    „Ja, Sir!“ Gregor riss die linke Hand zur Schläfe und salutierte.
    Kopfschüttelnd trat Erwin zurück ins Freie.
     
    „Gregor?“ Eine halbe Stunde, nachdem Erwin Gregor zurückgelassen hatte, riss Martin die Tür zum Büro auf. Aber der Holzstuhl war leer.
    Wo steckte er denn nun schon wieder?
    Schwungvoll zog Martin die Tür wieder zu und starrte seine staubigen Schuhspitzen an. Fast so, als könnten sie ihm die gewünschte Antwort liefern.
    Schliesslich kam die Antwort von Gregor selbst.
    Ein gellender Schrei zerriss die mittägliche Ruhe, die den Hof einhüllte. Und durchbrach Martins Gedanken. Mit einem Ruck riss er seinen Kopf hoch und starrte dorthin, woher der Schrei kam.
    Zu der Scheune.
    Martin zögerte keine Sekunde. Sofort rannte er los. Er schob die schwere Tür auf und hastete ins Innere. Durch das Spiel von Licht und Schatten konnte Martin nicht sofort erkennen, was los war. Seine Augen gewöhnten sich aber rasch an das Zwielicht.
    Er entdeckte ihn auf einem Heuhaufen.
    Martin erfasste die Situation umgehend.
    Gregor war vom Heuboden abgestürzt.
    Sein Aufenthalt dort oben war heute schon einmal beinahe schief gegangen. Man sollte das Glück kein zweites Mal herausfordern.
    Aber was hatte er dort überhaupt zu suchen? Zweimal!
    Martin stürzte auf den Haufen zu. Wenigstens war Gregor nicht direkt auf dem harten Boden aufgeschlagen. Das Heu hatte den Aufprall gedämpft. Ob ihm das geholfen hatte, stand allerdings noch nicht fest.
    „Gregor!“ Besorgt liess er seine Hände über dem seltsam gekrümmten Körper seines Bruders schweben. Er wagte es nicht ihn anzufassen. „Gregor, um Himmels willen! Warum warst du Idiot schon wieder auf dem Heuboden? Da gibt es nichts für dich zu tun! Und schon gar nicht zweimal!“
    Plötzlich entrann Gregors Kehle ein Laut.
    Martin redete weiter auf ihn ein. Er beleidigte ihn, er zog ihn auf. Er beschimpfte ihn als Bücherwurm und als unfähigen Fachidioten. Ob diese Worte es waren oder ob Gregors Kreislauf sich vom Schock erholte, spielte keine Rolle.
    Langsam kam er zu sich.
    „Oh, verdammte Scheisse. Das tut vielleicht weh.“ Vorsichtig unterzog Gregor seine Gliedmassen einer Funktionsprüfung. Er hob ein Bein nach dem anderen und winkelte sie an. Dann kamen die Arme dran. Behutsam stützte er sich darauf ab. Ganz langsam richtete er seinen Oberkörper auf. Sofort zuckte er vor Schmerz zusammen.
    In seinem Kopf hämmerte ein ganzes Bergwerk.
    „Könnte mal jemand die Arbeiter nach Hause schicken?“, grummelte Gregor.
    Arbeiter? Welche Arbeiter? Martin bekam es mit der Angst zu tun. Hatte er sich den Verstand rausgehauen?
    „Oh mein Gott!“, Ruth schlug sich die Hände vor dem Gesicht zusammen.
    Martin fuhr herum. Er hatte sie nicht kommen gehört. Aber er war erleichtert, sie zu sehen.
    Allerdings fürchtete er, ihre Sorge um den Sohn könnte ihre Souveränität beeinflussen. Und genau dort holte er sie ab. „Mutter, wir brauchen jetzt deine heilenden Hände, okay?“
    Man konnte fast sehen, wie der Schalter in ihr beinahe augenblicklich umgelegt wurde. Sie senkte die Hände und trat besonnen auf Gregor zu. Vorsichtig tastete sie ihn ab. Hie und da stöhnte er auf. In diesen Momenten huschte ein Schatten über ihr Gesicht, der zeigte, dass es eben nicht irgendjemand war, der da lag.
    Martin beobachtete seine Mutter besorgt. Er versuchte mehr aus ihrer Miene zu lesen, aber sie liess keine Schlüsse über Gregors Zustand zu.
    Nach einer Weile liess Ruth von Gregor ab. „Okay. Kannst du aufstehen?“
    Gregor biss die Zähne zusammen und versuchte sich zu erheben. Es fiel im sichtlich schwer und es bereitete ihm augenscheinlich Schmerzen. Aber er packte es.
    Gestützt von seinem Bruder und seiner Mutter humpelte er aus der Scheune heraus und liess sich ins Wohnhaus bringen.
    Mutter und Sohn betteten Gregor gemeinsam auf sein Nachtlager. Ruth zog ihn aus.
    Auf dem Oberkörper zeichneten sich bereits die ersten blauen Stellen ab.
    Martin stockte der Atem. Sie hatte noch nichts über seinen Gesamtzustand gesagt. Wie schlimm war es?
    „Martin“, Ruth fasste ihn an der

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