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Unscheinbar

Unscheinbar

Titel: Unscheinbar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anja Berger
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Schatten nichts aus. Aber generell fühlte er sich wohler in seinem kleinen Büro. Dort war jedes Geräusch, jede Bewegung und jeder Geruch vertraut. Hier lauerten Dinge, die er nicht berechnen konnte und das bereitete ihm Unbehagen. Aber er zog weiter. Die Umgebung fest im Auge. So gut es eben ging.
    Vom Wind getragen waberten Gregor in kleinen Fetzen die ersten Nebelschwaden entgegen. Er wusste, was das bedeutete. Der Fluss war nicht mehr weit. Ihn fröstelte. Seit er seinen Bruder und seinen Vater verlassen hatte, hielt er das erste Mal an. Er stellte die Lampe vor seine Füsse und rieb sich die Hände warm. Auf einmal hielt er inne.
    War da nicht etwas gewesen?
    Er drehte sich um, hob die Lampe wieder an und leuchtete in die Nacht.
    Nichts.
    Kopfschüttelnd senkte er den Arm und wandte sich ab. Und da war es wieder.
    Ein kaum hörbares Winseln. Oder ein Stöhnen?
    Gregor hatte Mühe, Ruhe zu bewahren. War das Silina?
    Er strengte sich an und horchte.
    Es war der Wind. Der Wind trug ihm die Geräusche zu. Sie kamen aus der Richtung, in die er eigentlich unterwegs war. Sofort setzte Gregor seinen Weg fort. Was, wenn sie in den Fluss gefallen war? Das Wasser war eisig kalt…
    Gregor gestattete sich keinen weiteren Gedanken. Stattdessen beschleunigte er seinen Schritt. Er horchte noch einmal auf. Aber der Wind schwieg. Das Geräusch war verschwunden. Beunruhigt hastete Gregor weiter.
    Dabei übersah er eine Wurzel. Er stolperte, konnte sich aber gerade noch auf den Füssen halten. Er wollte nach etwas greifen, das ihm Halt bot, aber es gab auf dem offenen Feld nichts. Er strauchelte einige Schritte vorwärts, bis er sein Gleichgewicht wiederfand. Fluchend kam er zum Stehen. Als er entdeckte, wo er stand, kroch ihm der Schrecken in die Glieder.
    Er stand direkt am Flussbett. Ein Schritt weiter und er hätte sich in den Verwirbelungen des Wassers wiedergefunden. Erleichtert trat er weg von der Kante. Er dachte an seine Eltern und daran, was sie über diesen Flussabschnitt gesagt hatten. So manches Tier ertrank an dieser Stelle, denn unter der harmlos aussehenden Wasseroberfläche trieben gefährliche Strudel ihr Unwesen. Sie konnten jemanden unter Wasser ziehen und liessen ihn nicht mehr los, bis er nach Luft ringend nur Wasser einatmete und schliesslich kläglich ertrank.
    War Silina diese Grausamkeit zugestossen? Gott bewahre…
    Gregor wandte sich in Richtung der Brücke. Mit zusammengekniffenen Augen versuchte er die dunklen Umrisse der alten Steinbrücke zu erkennen. Aber der Nebel war zu dicht. Immer Ohren und Augen offen näherte er sich der Brücke. Da erhoben sich in dem undurchdringlichen Nebel langsam schemenhafte Umrisse.
    Die Brücke. Sein Fixpunkt auf dieser Suche. Er war zum Greifen nah.
    Aber was war das?
    Die Umrisse zeichneten den Brückenbogen. Doch in der Mitte des Bogens erhob sich ein schmaler länglicher Schatten.
    Gregor kniff die Augen zusammen, um besser sehen zu können.
    Stand da jemand?
    Silina?
    Ehe er sich weitere Gedanken machen konnte, rannten seine Füsse bereits los.
    Er kam am Brückenkopf an. Aber nicht weiter.
    Der Nebel bewegte sich. Zwischen das gräuliche Weiss mischte sich ein dunkler Schatten.
    Gregor blieb abrupt stehen. Er konnte nicht einordnen, was er sah. Sein Mut wollte ihn verlassen, aber Gregor war stärker. Er trat auf die Brücke. Schritt für Schritt arbeitete er sich vorwärts. Immer weiter auf die Mitte zu. Immer weiter auf den hohen dunklen Schatten zu.
    Er konnte kaum die Hand vor Augen sehen.
    Auf halben Weg kam ihm die Erinnerung.
    Was für ein Idiot er doch war. Seine Nervosität entlud sich in einem leisen Auflachen.
    Die Marienstatue. Natürlich. Sie stand auf dem Rand der Brücke. In der Mitte. Das war die dunkle Erhöhung.
    Die Jungfrau Maria war vor Wind und Wetter geschützt in einem steinernen Pavillon auf der Brüstung in der Mitte der Brücke platziert worden. Die heilige Jungfrau sollte diejenigen
    schützen, die diesen Weg passierten.
    Erleichtert ging Gregor auf die Stelle zu. Er hob seine Lampe und leuchtete in den Pavillon. Aber der war leer.
    Neugierig trat Gregor noch einen Schritt näher. Da stiess er mit dem Fuss gegen etwas, das auf dem Boden lag.
    Verwundert suchte er mit Hilfe seiner Lampe den Boden vor sich ab.
    Der Schreck fuhr ihm durch Mark und Bein.
    Er wusste nicht, was er zu finden erwartet hatte. Auf keinen Fall das.
    „Silina!“
    In einen dunklen Umhang gehüllt lag der Körper der zierlichen Frau auf dem kalten

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