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Unscheinbar

Unscheinbar

Titel: Unscheinbar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anja Berger
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Stein.
    Daneben die Statue der Heiligen Jungfrau Maria.
    Gregor liess sich auf die Knie fallen. Ihr Kopf war zur Seite gedreht und von einer Kapuze eingehüllt, die auch ihr Gesicht verbarg. In der Hand hielt sie eine Spindel.
    Er umschloss ihren Kopf mit beiden Händen, um ihn vorsichtig zu sich drehen zu können.
    Unter seiner Hand wurde es feucht und klebrig.
    Gregor zögerte kurz. Dann fuhr er in seinem Vorhaben fort.
    Aber er wusste es bereits.
    Er drehte ihren Kopf so, dass er in ihr Gesicht sehen konnte.
    Und sie sah in seines.
    Aus leeren, starren Augen.
    Gregor tastete sicherheitshalber nach ihrem Puls. Unter ihrer eisigen Haut fand er aber kein Leben mehr.
    Er liess sie los. Langsam setzte er sich neben sie. Fassungslos starrte er seine Hände an. Sie glänzten. Blutverschmiert.
    Sein Blick wanderte zurück zu Silina‘s leblosem Körper. An ihrer Schläfe klaffte eine Wunde.
    An der Statue neben ihr klebte die schwarzrötliche Masse.
    Gregor war fassungslos.
    Hätte er sie lebend finden können, wenn er nur schneller gewesen wäre?
    Nein. Die Blutgerinnung an der Wunde hatte bereits eingesetzt. Die Blutlache war dabei zu trocknen. Sie war schon längere Zeit tot. Aber was waren das dann für Geräusche, die ihm der Wind zugetragen hatte? Tiere? Wahrscheinlich. Eine andere Erklärung hatte er nicht.
     
    Gregor wusste nicht wie lange er regungslos dagesessen hatte.
    Scheinbar eine Ewigkeit. Denn plötzlich hörte er Stimmen. Sie riefen laut seinen Namen.
    Ehe er antworten konnte, tauchte Martin aus dem Nebel auf.
    „Gregor! Was ist denn passiert?“ Da entdeckte auch Martin die Leiche. Wie bei einem gehetzten Tier wanderte sein Blick von der Leiche über Gregors blutverschmierte Hände zum leeren Pavillon und zurück.
    „Oh, nein. Oh mein Gott, nein! Paps! Ich habe sie! Ich habe sie beide! Hier auf der Brücke! Aber Paps, es ist etwas Schreckliches geschehen…“
     
     

Strang 2 / Kapitel 16
     
    Es trug sich zu an einem ganz normalen Tag, als die Tochter hinter dem Spinnrad schlief anstatt das Flachs zu verarbeiten. So tat sie es immer. In ihrer Faulheit maulte sie lieber herum, anstatt sich nützlich zu machen. So kam es, dass die Mutter die Geduld verlor und die Tochter aus dem Haus schickte. Die Tochter ging. Und kehrte den ganzen Tag nicht zurück. Auch nicht des Nachts. Die Mutter sorgte sich, als die Tochter nicht einmal zum Abendessen nach Hause kam und ging sie suchen. Sie fand ihr Kind fernab unter einem Baum schlafend. Der Verdruss über diese abermalige Faulheit war gross, aber das Glück, ihr Kind zurückzuhaben war grösser. Auf dem Weg nach Hause kamen Mutter und Tochter zu der alten Brücke. Die Brücke war von Nebel umgeben. Und auf einmal machte es den Anschein, als sässe da eine Frau an einem Spinnrad. Die Nachtspinnerin soll das gewesen sein. Die Tochter glaubte ihrer Mutter aber nicht. Sie sprach nur von dem steinernen Heiligenbild auf der Brücke. Doch beim Näherkommen erkannte auch die Tochter, dass auf der Brücke eine Frau im schneeweissen Gewand sass. Zögernd setzte die Mutter ihren Weg über die Brücke fort. Die Tochter folgte ihr unbekümmert. Während die Mutter sich respektvoll bekreuzigte, liess die Tochter jeden Anstand missen. Lieder singend überquerte sie die Brücke und drehte sich sogar noch zu der Nachtspinnerin um. Ein fataler Fehler. Denn die Nachtspinnerin sollte das letzte gewesen sein, das die Tochter zu sehen bekam. Ein Blitz, Blendung und weg war das Sehvermögen. Die Tochter erblindete. Das Augenlicht kehrte nie zurück.
     
    Er wunderte sich schon fast, wie einfach sich alle zum Narren halten liessen. Wenigstens jetzt hätte doch irgendjemand darauf kommen müssen, dass vielleicht ein kleines Bisschen fremde Hilfe hinter dem Tod dieses faulen Weibsbildes steckte. Aber wer glauben wollte, dass sich die steinerne Jungfrau selbstständig gemacht hatte, durfte das gerne glauben.
    Die steinerne Jungfrau hatte sich selbständig gemacht. Was für eine herrliche Vorstellung.
    Er lachte laut heraus. Diesmal war das kein Problem. Es war niemand in der Nähe. Er sass unter einer grossen Tanne und starrte zum Himmel.
    Alleine schwelgte er in der Erinnerung an seinen letzten Coup.
    Leider hatte sie ihm nicht so viel Spass bereitet. Selbst dafür war sie zu faul gewesen. Sie war einfach herumspaziert.
    Als er sich auf die Brücke gestellt und sie zu sich gerufen hatte, war sie ohne nachzudenken hingelaufen. Oder eher geschlichen.
    Einfach so hatte er ihr den

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