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Unscheinbar

Unscheinbar

Titel: Unscheinbar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anja Berger
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jemandem unter die Augen zu treten kam nicht in Frage.
    Sie ging zur Zugstation. Wenigstens hier war ihr das Glück hold. Der Zug kam kaum eine Minute später an. Und sie stieg ein.
    Wenn wirklich alle dachten, das Problem wäre mit ihrer Abreise gelöst, dann ging sie eben. Wenn sie erst einmal zurück in Basel war, würde sie diesem Martin gehörig die Meinung sagen. Herzinfarkt, Intensivstation und Besucherverbot hin oder her.
    Durcheinander und aufgewühlt sass Emma im Zug und starrte aus dem Fenster ohne etwas zu sehen.
    Ein Haus nach dem anderen zog draussen vorbei. Bis sie das Dorf hinter sich gelassen hatte.
     
     

Strang 1 / Kapitel 22
     
    Emma liess sich von den in regelmässigen Abständen vorbeirauschenden Strommasten hypnotisieren. Langsam kam ihr Gehirn zur Ruhe. Sie schaffte es, die rotierenden Gedanken soweit zum Schweigen zu bringen, dass wieder Platz für ihre Umgebung war.
    Es waren nicht viele Leute im Zug. Weiter vorne sassen zwei Personen. Ein Mann und eine Frau. Sie war in ein Buch vertieft, er hörte mit riesigen Kopfhörern Musik. Sein Kopf wippte und die Hände klopften den Rhythmus auf dem Knie mit.
    Schräg hinter ihr sassen ebenfalls noch zwei Menschen. Emma schielte nach hinten.
    Eine Frau mit grauem Haar in wetterfester Kleidung zusammen mit einem blonden Mädchen, das an den Lippen der Frau zu hängen schien.
    Was die Frau dem Mädchen erzählte, musste ungemein spannend sein.
    Interessiert legte Emma den Kopf schief und lauschte.
    „…Omi, wie geht die Geschichte weiter?“
    „Wo waren wir denn stehen geblieben?“
    „Der Teufel sagte, das erste Lebendige, das über die Brücke kommt, gehört ihm.“
    Die Dame besann sich kurz und nickte dann. „Richtig. Dieses Lebewesen wurde dem Teufel dann auch zugesprochen. Der Teufel erstellte die Brücke und forderte den Preis dafür. Da schickte der Urner einen Ziegenbock über die Brücke. Der Teufel wurde so sauer, dass er mit einem haushohen Stein die Brücke zerschlagen wollte. Als er den Stein holte und auf seinem Weg zurück zur Brücke eine kurze Pause einlegte, begegnete ihm eine fromme Frau. In weiser Voraussicht malte sie ein Kreuz auf den Stein. Als der Teufel den Stein dann wieder anheben wollte, gelang es ihm nicht. Der Stein rührte sich nicht mehr. Der Teufel wurde schrecklich wütend darüber, dass sein Plan gescheitert war und machte sich aus dem Staub.“
    Emma riskierte noch einen Blick zu dem kleinen Mädchen. Mit leuchtenden Augen und offenem Mund sass sie da.
    Die Geschichte von der Teufelsbrücke und dem Teufelsstein. Emma lächelte. Obwohl Emmas Grossmutter sie etwas anders überliefert hatte, blieb es doch derselbe Sinn. Emma mochte diese Sage.
    Die Kleine mit den grossen Augen offenbar auch. Denn sie forderte lautstark mehr.
    „Nun gut. Was hättest du gerne? Drachen oder Gespenster?“
    „Gespenster! Gespenster!“, rief die Kleine.
    „Das ist vielleicht nichts für kleine Ohren, aber wusstest du zum Beispiel, dass Menschen, die sich selbst das Leben nehmen, immerzu an den Ort wiederkehren, an dem sie sich aus dem Leben geschlichen haben?“
    „Neeeeein!“
    „Oh doch. Weisst du, warum es Geister gibt?“
    „Mama sagt immer, dass diese Leute noch nicht alles auf Erden erledigt haben und darum noch nicht gehen können.“
    „Ganz genau. Und so ergeht es vielen. Gerade hier in dieser Gegend zum Beispiel. Hier spukt es wie wild.“
    Jetzt wurde Emma erst recht hellhörig.
    „Eine Sage aus dem Berneroberland handelt von einem Jäger. Der wollte unbedingt eine weisse Gämse schiessen. Auf der Suche nach dem Tier verlief er sich aber derart in unwegsamem Gelände, dass er schliesslich abstürzte und auf dem felsigen Untergrund zerschmetterte.“
    „Ach Omi, wenn der nicht zum Gespenst wurde, dann ist die Geschichte nicht lustig.“ Die Kleine machte einen Schmollmund.
    „Ich bin ja noch nicht fertig. Seither ist der Jäger dazu verdammt auf ewig durch Berg und Tal zu spuken, auf der Suche nach seiner weissen Gämse.“
    Jetzt strahlte der Blondschopf wieder. „Noch eine.“
    Die alte Dame dachte kurz nach. „Okay. Die ist aber echt gruselig. In einem alten Bauernhaus gab es ein Kind, das immer kränkelte. Jede Nacht weinte das Kind bitterlich. Die Eltern versuchten alles, doch es liess sich nicht beruhigen. Nichts half. Und weisst du, warum das Kind nicht schlafen konnte?“
    Das Mädchen bekam grosse Augen. „Nein. Warum?“
    „Unter der Treppe stand ein Mann. Ganz in Schwarz. Er kehrte jede Nacht

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