Unschuldig!
diese Zeit noch menschenleer war.
“Ich fasse es nicht”, sagte Steve tonlos, als sie sich der Artillery Street näherten.
“Was ist?” Julia folgte seinem Blick und entdeckte im angrenzenden Larkin Park einen großen Mann in hellgrauem Anzug und mit einem Panama-Hut, der sich mit einem deutlich kleineren Mann unterhielt. Der große Mann war so breit, dass von seinem Gegenüber kaum mehr als dessen Hände zu sehen waren, mit denen er aufgeregt gestikulierte. “Hast du jemanden gesehen, den du kennst?” fragte sie.
Steve nickte und deutete auf den Mann mit dem Panama-Hut, der sich für einen Moment in ihre Richtung umgedreht hatte. “Nicht
persönlich.
Aber ich habe von ihm gehört und kenne sein Bild aus der Zeitung. Er heißt Aaron Briggs. Er ist Eigentümer und Verleger des
San Francisco Star
und einer der angesehensten Nachrichtenleute im ganzen Land. Ich hatte gehört, dass er persönlich über den Mord an Paul berichtet, aber bislang war er mir hier noch nicht aufgefallen.”
Julia warf Steve einen amüsierten Blick zu. Er klang fast so begeistert wie Andrew, als Steve beiläufig bemerkt hatte, er sei mit Gary Sheffield befreundet. “Du hörst dich an, als wärst du ein Fan von ihm.”
“Ich bin ein
riesiger
Fan. Als ich meinen Collegeabschluss in der Tasche hatte, wollte ich unbedingt für den
Star
schreiben.”
“Und warum hast du das nicht gemacht?”
Steve zuckte mit den Schultern. “Der Star wollte
mich
nicht so unbedingt haben. So bin ich bei der
New York Sun
gelandet.”
“Auch nicht schlecht.”
“Stimmt.” Er beobachtete den Mann weiter. “Ich frage mich nur, warum er selbst recherchiert. Das hat er seit dem Attentat auf Reagan nicht mehr gemacht.”
“Warum gehst du nicht rüber und fragst ihn?” schlug Julia vor, die froh war, dass er einmal an etwas anderes als an
Gleic Éire
dachte. “Stell dich ihm vor, und wenn du willst, kannst du ihn ja auf einen Drink in die 'Hacienda' einladen.” Sie nahm ihm den Einkaufskorb ab und schubste ihn sanft an. “Nun geh schon. Einkaufen kann ich auch alleine.”
Steve schien sie nicht gehört zu haben. “Irgendwas an dem Typ, mit dem er redet, kommt mir bekannt vor. Wenn ich ihn bloß richtig sehen könnte …”
Er brach mitten im Satz ab. Als sich der bekannte Verleger zur Seite bewegte und den Blick auf seinen Begleiter freigab, zuckte Steve zusammen. “Das darf doch nicht wahr sein.”
31. KAPITEL
“W as ist?” Julia fuhr herum. “Hast du einen Geist gesehen?”
“Erkennst du den anderen Mann nicht?”
Julia schirmte ihre Augen gegen die Sonne ab und blinzelte. “Ich kann ihn nicht sehen, Briggs ist im Weg. Warte … ich …” Sie schnappte nach Luft. “O mein Gott, das ist der Butler von McDermott!”
Steves Verstand, der sonst so schnell Zusammenhänge erfasste, war völlig leer, während er weiter die beiden Männer beobachtete. Es gab keinen denkbaren Grund, warum sich ein Mann wie Aaron Briggs mit McDermotts Butler unterhalten sollte.
Es sei denn …
Es sei denn, Briggs und McDermott kannten sich.
Sein Verstand trat wieder in Aktion. All die kleinen Puzzleteile, die er vor acht Jahren in Erfahrung gebracht hatte, kamen mit völliger Klarheit ins Gedächtnis zurück. Er erinnerte sich an eine bestimmte Nacht in Belfast. In einem Pub hatte ihm ein alter Ire, ein ehemaliges Mitglied der Irisch-republikanischen Armee, alles erzählt, was er über
Gleic Éire
wusste.
“Die Organisation hat neues Blut angezogen”, hatte ihm der Mann bei einem Glas Guiness gesagt. “
Reiches
neues Blut. Man erzählt sich, dass es sich um eine kleine Gruppe reicher Iren handelt, die von den Vereinigten Staaten aus die Schreckensherrschaft von
Gleic Éire
finanzieren.”
Eine Zeit lang war über die Identität dieser Männer wild spekuliert worden. Namen wie Curtis O'Rourke, Leiter der Irish American Cultural Society in New York City, oder John Mahonney, ein angesehener Chicagoer Richter, oder Sean Clark, Besitzer von Clark Department Stores, waren gefallen. Alle drei Männer waren äußerst wohlhabend und machten aus ihrer politischen Gesinnung keinen Hehl. Außerdem waren sie ihrer Heimat eng verbunden geblieben.
Die Gerüchte nahmen aber ein jähes Ende, als Richter Mahonney damit drohte, jede Zeitung und jeden Fernsehsender zu verklagen, der seinen Namen in einem Atemzug mit
Gleic Éire
erwähnte.
McDermott und Briggs. Warum nicht? dachte Steve, während Julia von ihm eine Antwort hören wollte. Beide hatten genug Geld, um
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