Unser Autopilot - wie wir Wünsche verwirklichen und Ziele erreichen können
Niemandem fliegt ein Abschluss einfach so zu. Oder glauben Sie, es macht einem Fußballer Spaß, tagelang unter einer Beinstretchmaschine zu sitzen? Oder einem Friseurlehrling, wochenlang nur Haare zu waschen? Wie kommt es aber, dass wir am Ball bleiben und nicht das Handtuch werfen – obwohl doch überall interessante Ablenkungen und Versuchungen lauern? Wieso bleiben Studenten in einer staubigen Bibliothek über ihren Büchern sitzen, obwohl draußen die Sonne lacht? Und warum widmen wir uns nicht stundenlang diesen tollen Spielen, die man aus dem Internet herunterladen kann, sondern schreiben und arbeiten stattdessen? Warum liegt seit zwei Tagen die Cavalleria Rusticana mit Maria Callas ungeöffnet auf meinem Schreibtisch, die einzige Aufnahme, die ich nicht kenne, während ich seit Tagen nichts als langweilige Gutachten schreibe? Aus einem einfachen Grund: Weil wir den Aufschub von unmittelbarer Belohnung, das Zurückstellen unserer unmittelbaren Impulse zugunsten höherwertiger Ziele meistern – jedenfalls im Großen und Ganzen. Aber ist es trivial, dass wir das tun?
Für mich persönlich ist die Möglichkeit, einer Verführung widerstehen zu können, das, was den Menschen ausmacht. Belohnungsaufschub ist eine Fähigkeit, die, so scheint es, allein dem Menschen innewohnt. Auch deshalb wird der Umgang mit Verführung im ersten Kapitel der Bibel thematisiert. Gott schuf das Getier und die Blumen und die Bäume und alles Drum und Dran. Und schließlich den Menschen, dem er eine schwierige Aufgabe stellte: Hände weg von bestimmten Dingen, auch wenn sie im Moment attraktiv erscheinen.
Jeder von uns kann nachvollziehen, warum Eva der Versuchung nicht widerstehen konnte. Jeder von uns weiß aber auch, dass Menschen grundsätzlich einer solchen Verführung widerstehen können . Selbst wenn wir Hunger haben und uns den Ring Leberwurst in der Schlachterei am liebsten direkt einverleiben würden, sagen wir höflich Guten Tag, lassen ihn uns einpacken, zahlen, gehen nach Hause, decken den Tisch und schmieren uns artig anderthalb Brötchen damit. Was für ein famoses Ritual der Selbstkontrolle! Aber nehmen Sie Ihren Hund mal in eine Metzgerei mit und lassen die Leine los! Was macht er? Party! Er wird zuerst die Leberwurst essen, dann die Blutwurst, wird dann ein Hühnerbeinchen zernagen und irgendwann mit Bauchschmerzen in der Ecke liegen. Auch wenn man ihm täglich einen Besuch beim Metzger zugestände, er würde nichts dazulernen, er würde jeden Tag wieder genauso reagieren, dabei dicker und dicker werden, faul und irgendwann an den Folgen seines Verhaltens qualvoll sterben.
Im Grachtengürtel Amsterdams begegnet man häufig solchen Geschöpfen. Zwar dürfen sie nicht die wunderbaren Schlachtereien als Partyraum missbrauchen, aber sie werden von lieben reichen Damen und Herren so vollgefüttert, dass man sie, würde man sie rasieren, kaum von einem Hängebauchschwein unterscheiden könnte. Über Hängebauchschweine, die ja zunehmend als Haustiere in Mode kommen, ist mir wiederum berichtet worden, dass man den Ebern nicht abgewöhnen kann, sich ständig an den Möbeln und Knien der Gäste zu reiben. Hängebauchschweine haben einen starken Sexualtrieb und geben dem gerne nach. Sicherlich gibt es auch einige Menschen, die sich ähnlich wie Modehunde oder Hängebauchschweine verhalten, aber insgesamt scheinen wir doch ein besonderes Talent dafür zu haben, unsere Impulse zu unterdrücken oder, anders ausgedrückt, eine Lösung für Zielkonflikte zu finden.
Ein Zielkonflikt besteht dann, wenn ein attraktives Ziel einem anderen wichtigen Ziel widerspricht 56 , so wie zum Beispiel das Ziel abzunehmen der Lust auf Kuchen entgegensteht. Oder wenn es einem in den Fingern juckt, dem gut aussehenden Chef in den attraktiven Hintern zu kneifen, was aber dem Wunsch widerspricht, ein gutes Arbeitsverhältnis nicht durch unangemessenes Verhalten zu gefährden. Was meinen Sie, wie oft ich meinem Lehrer Sing-Sing-Birkenkötter gerne gesagt hätte, was für ein Idiot er ist – und mit mir Tausende von Schülern, die unter ihm gelitten haben? Tatsächlich hat nicht einer es gewagt, ihm die Stirn zu bieten. Offenbar wird der spontane eigene Impuls, ihm die Meinung zu geigen oder gar lustvolle Mordphantasien in die Tat umzusetzen, durch alternative, soziale Ziele in Schach gehalten – in dem Fall, die gesellschaftliche Regel, dass man sich als Schüler nicht mit seinen Lehrern anlegt oder sie gar umbringt. Am Beispiel Aggression wird
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