Unser Autopilot - wie wir Wünsche verwirklichen und Ziele erreichen können
erwarten, führte die vorherige Einblendung von »Mutter« zu besseren Ergebnissen im Intelligenzleistungstest als die unbewusste Erinnerung an Freunde, die einen gerne vom Arbeiten abhalten. Das heißt: Offensichtlich sind Personen in unserem Gedächtnis mit bestimmten Zielen assoziiert; und eine Erinnerung an sie reicht schon aus, um Mittel zur Zielverfolgung zu aktivieren und sich ihren Vorstellungen entsprechend zu verhalten.
Eine Freundin von mir, Meike Nolte, die als Therapeutin arbeitet, wies mich darauf hin, dass man solche Methoden bestens zur Eigensuggestion nutzen kann. Ob es wirklich etwas nutzt, Schüler vor einer Klassenarbeit an ihre Mütter zu erinnern (und damit den womöglich ablenkenden Einfluss anderer Ziele, die durch neben ihnen sitzende Freunde aktiviert werden, abzumildern) ist eine spannende Frage. Ich jedenfalls stelle mir seither vor öffentlichen Auftritten immer Personen vor, die mich motivieren, die sich freuen würden, wenn sie mich so sähen. Mittlerweile lade ich auch gerne Freunde dazu ein (was ich früher aus Scham vermieden habe), denn ich habe die Erfahrung gemacht, dass ein wohlwollendes, freundliches Gesicht mir zu ungeahnten Höhenflügen verhilft. Versuchen Sie es selbst einmal: Schauen Sie bei Vorträgen oder wichtigen Gesprächen vor allem diejenigen an, die Sie motivieren – Miesepeter und Stirnrunzler bringen Sie nur aus dem Konzept.
Neben Personen können auch Orte automatische Priming-Effekte bewirken. So müssen sich viele Menschen lediglich eine Bibliothek vorstellen, und schon senken sie automatisch ihre Stimme. So gehen Menschen automatisch langsamer, wenn sie an alte Menschen erinnert werden. Ich selbst habe gezeigt, dass das »Einblitzen« von »Amsterdam« Menschen kreativer macht, dann nämlich, wenn diese Menschen Amsterdam für eine kreative Stadt halten. Bloße subtile Erinnerungen an bestimmte Ziele reichen manchmal schon aus, um ein Verhalten auszulösen. Wenn man menschliches Verhalten erklären will, kommt man mit der Vorstellung assoziativer Netzwerke im Gedächtnis ziemlich weit.
Dynamik statt Mechanik
Allerdings gab es schon früh Einwände gegen das alleinige Wirken einer rein mechanisch arbeitenden, fast roboterhaft wirkenden Assoziationskette. Bereits in den zwanziger Jahren bezweifelte Kurt Lewin – einer der genialsten Theoretiker unserer Zunft und scharfer Beobachter der Umwelt – zwar nicht die Existenz solcher Gedankenketten, aber die Grundidee des Gedächtnisses als relativ passivem Speicher.
Ich gebe zu, ich bin ein Fan Kurt Lewins, der schon damals dem Langweiler-Stereotyp eines deutschen Professors klar widersprach und sein Anderssein als Ressource statt als Makel begriffen hat. Es ist rührend, die Berichte seiner Studenten und Zeitgenossen zu lesen, die ihn über den grünen Klee loben und immer wieder sein kollegiales Auftreten und seine ansteckende Begeisterung für die Psychologie betonen. In einer Zeit, in der diese Disziplin an den Universitäten wenig Bedeutung hatte, in einer Zeit, in der ihm, dem Juden, eine Professur in Deutschland verwehrt wurde, ließ er, charmant aber deutlich, verlauten, dass eine bessere Welt ohne die Psychologie unmöglich wäre. Dieser gesunde Größenwahn steckte an. Auch ohne Professur und Vorzimmer versammelte Lewin in Berlin Doktoranden aus aller Welt um sich, ließ sie forschen, freundete sich mit ihnen an, und weil in der Forschung Hierarchien sowieso nur schaden, ließ er sich von ihnen duzen und lud sie zu sich nach Hause ein, wenn sie ihm etwas mitzuteilen hatten. Vor lauter Begeisterung vergaß er meist die Zeit. Er war dafür bekannt, zu Besprechungen viel zu spät zu kommen, und häufig musste ihn seine Frau um Mitternacht daran erinnern, dass dies nicht die richtige Zeit für eine Projektbesprechung sei, und die eingeladenen Studenten nach Hause schicken.
Seine Studenten waren regelrecht infiziert von ihm und wurden der Gedanken, die er in ihnen auslöste, nicht müde. Jeden Dienstag fanden sie sich ohne ihren Mentor in einem Berliner Café zusammen, um über ihn und Gott und die Welt zu diskutieren. Unter dem Namen »Quasselstrippe« wurde bei Kaffee und Kuchen spekuliert und philosophiert; man rauchte, ließ die Gedanken schweifen und war überzeugt, an einer besseren Welt zu arbeiten. Als Lewin einmal gegen seine Gewohnheit an einem dieser Quasselstrippen-Kränzchen teilnahm, bat er den Kellner anschließend um die Rechnung. Die Studenten sahen ihm an, dass er irgendetwas im Schilde
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