Unser Autopilot - wie wir Wünsche verwirklichen und Ziele erreichen können
unser Gedächtnis jene Information, die mit einem erreichten Ziel assoziiert ist, sogar hemmt. Das heißt, wir denken weniger an Brille, Hundekorb und Badezimmer, nachdem wir die Brille gefunden haben, als an Dinge, die überhaupt nichts damit zu tun haben.
Unserer Ansicht nach hilft uns unser Gedächtnissystem dabei, die vielen Ziele, die wir tagtäglich haben, möglichst effizient zu verfolgen. Und dazu gehört auch, dass alles, was wir erreicht haben, mental abgeschlossen wird und Raum für andere wichtige Ziele schafft. Der ehrgeizige Student zum Beispiel, der sich auf eine Klausur vorbereitet, wird vermutlich kurz vor der Prüfung andere wichtige Bedürfnisse, wie soziales Miteinander, unterdrücken. Er wird die eine oder andere Party sausen lassen und stattdessen lieber früher ins Bett gehen. Hat dieser Student aber sein Ziel erreicht und die Klausur hinter sich gebracht, werden in seinem Gedächtnis alle Verhaltensweisen und Gedanken, die mit »Klausur« und »Leistung« zu tun haben, gehemmt, und all jene Gedanken kommen wieder hoch, die er eine Zeitlang weggeschoben hat: Klausur geschrieben – Zeit für Party! Dieser Prozess ermöglicht es uns, uns sofort auf andere wichtige Ziele zu konzentrieren, nachdem wir eines erreicht haben.
Ein unbewusster Zeigarnik-Effekt
Einige Kollegen kritisierten an Bluma Zeigarniks Experimenten, dass bewusste Denkprozesse die Ergebnisse beeinflusst haben könnten. Es ist nicht auszuschließen, dass das Gedächtnis für erledigte und unerledigte Handlungen bei allen Probanden gleich gut war und die Versuchspersonen allein dachten, sie müssten nicht so viel schreiben über etwas, was sie bereits hinter sich gebracht hatten.
Um unbewussten Hemmungsprozessen auf die Spur zu kommen, maßen wir in eigenen Experimenten die Aktivierung einer Gedächtnisspur mit Hilfe der oben beschriebenen Leseaufgabe. Es gab vier solcher Leseaufgaben, die Wörter enthielten, die mit »Brille« zusammenhingen (etwa Professor, lesen, Sonne, Fielmann, Nase etc.), Wörter, die nicht mit Brille zusammenhingen (etwa Garten, Teppichboden, Ohrenarzt, Thielmann und Urologe) und Nichtwörter (etwa mompsen, Drochenwanz oder Driologe). Die Versuchspersonen mussten davor mehrere Diaserien mit verschiedenen Bildern anschauen. In diesen Diaserien waren zwar auch Brillen enthalten, aber sie waren vermischt mit vielen anderen Objekten. Nach jeder der vier Diaserien platzierten wir eine Leseaufgabe und maßen die Reaktionszeiten für Brillenwörter und für Wörter, die nichts mit Brille zu tun hatten. Mit dem Ergebnis, dass Versuchspersonen Wörter wie »Optiker«, »Augenarzt«, »lesen« und »Krankenkasse« nicht schneller lesen konnten als andere Begriffe. Wenige Brillen, dargeboten unter vielen verschiedenen anderen Objekten reichten also in dieser Versuchsgruppe, die kein bestimmtes Ziel hatte, nicht aus, um Brillen-Assoziationen zu aktivieren.
In einer anderen Untersuchungsgruppe machten wir die Brille jedoch zum Teil eines Zieles. Wir baten diese Versuchspersonen, sich Diaserien mit verschiedenen Bildern anzusehen und dabei eine Kombination in der Abfolge zu finden, die nur einmal vorkäme: ein Bild, das eine Brille beinhaltet und unmittelbar von einer Schere gefolgt wird. Tatsächlich wurde die Kombination »Brille-Schere« in der dritten Diaserie gezeigt. Alle Versuchsteilnehmer bemerkten dies und berichteten dem Versuchsleiter davon. Dann folgte eine Leseaufgabe, wie sie bereits weiter oben beschrieben wurde. Wie wir aufgrund von Lewins Spannungsmodell erwartet hatten, taten sich die Versuchspersonen, die ein Ziel hatten und es erfüllt hatten, schwer damit, Wörter zu lesen, die damit zu tun hatten. So war die Lesegeschwindigkeiten für Wörter wie »Augen«, »Optiker«, »lesen« etc. geringer als für Wörter, die nichts mit der Brille zu tun hatten. Ein Assoziationist dagegen hätte erwartet, dass die zeitnahe und heftige Aktivierung zu schnelleren Lesezeiten führt, doch das Gegenteil war der Fall: Zielbezogene Wörter waren gehemmt.
In anderen Experimenten hatten alle Versuchspersonen das Ziel, die Kombination Brille-Schere zu finden, und während eine Versuchsgruppe diese Kombination auch fand, tauchte sie in der anderen nicht auf. Mit diesem Experiment kamen wir dem von Zeigarnik noch näher, denn auch hier wurden eine erledigte und eine unerledigte Handlung experimentell hergestellt. Wie erwartet trat nur dann ein Hemmungseffekt ein, wenn Versuchspersonen die Kombination auch fanden –
Weitere Kostenlose Bücher