Unser Autopilot - wie wir Wünsche verwirklichen und Ziele erreichen können
wir notgedrungen auf naheliegende Assoziationen zurückgreifen –, als auch, wenn wir überlegt handeln – dann können wir das Naheliegende kritisch betrachten und einbeziehen, oder wir können uns davon distanzieren, können es ignorieren oder auch flexibel verschiedene Wissensstrukturen aufeinander beziehen. Wenn wir überlegt handeln, können wir auch neue Informationen suchen und in unser Urteil mit einbauen. Am Anfang jeder Entscheidung steht aber immer eine naheliegende Assoziation. Wie oben beschrieben stellen wir uns das Gedächtnis als Netzwerk vor, wobei bestimmte Erinnerungen und Gedächtnisspuren miteinander verknüpft sind und andere nicht.
In unserem Gedächtnis ist Salz beispielsweise mit Pfeffer assoziiert. Mit anderen Worten: Denken wir an Salz, denken wir auch an Pfeffer. Solche Assoziationen kann man im Labor messen, indem man Versuchsteilnehmern das Wort »Salz« am Computer präsentiert und sie dann bittet, ein danach gezeigtes Wort zu lesen. Die nachfolgenden Worte sind entweder Assoziationen (etwa »Pfeffer« oder »Suppe«) oder keine Assoziationen (etwa »Treffer« oder »Puppe«). Untersuchungen zeigen, dass Menschen das Wort »Pfeffer« schneller erkennen können als »Treffer«, wenn sie vorher »Salz« gelesen haben. Diese Aufgabe, die offiziell als lexikalische Entscheidungsaufgabe bezeichnet wird, nenne ich hier »Leseaufgabe«; sie misst, welche Verknüpfungen in unserem Gedächtnis gerade aktiv sind.
Unser Gedächtnis ist ein riesengroßes Netz von Assoziationen. Alles, was wir erlebt haben, ist dort abgelegt. Das habe ich bereits in Prinzip I erklärt. Aber nicht alles, was wir abgespeichert haben, leitet auch unser Verhalten. Um eine Wirkung zu zeigen, muss eine Gedächtnisspur aktiviert sein, so wie der Akku bei Ihrem Handy. Das Wort »Puppe« kann nach der Darbietung von »Salz« ja durchaus noch gelesen werden, was bedeutet, dass man irgendwo auch »Puppe« im Gedächtnis abgespeichert hat. »Suppe« ist jedoch aktiver und kann schneller gelesen werden als »Puppe«, wenn man vorher »Salz« gelesen hat, weil Assoziationen sich gegenseitig aktivieren. Die Aktivierung wird dabei durch die Prinzipien Häufigkeit und Zeitnähe bestimmt. Was aktiv ist, leitet unser Verhalten.
Je häufiger Sie die Begriffe Salz und Pfeffer miteinander in Verbindung gebracht haben, umso besser können Sie »Pfeffer« nach der Aktivierung von »Salz« lesen. Wer jedoch wie mein brasilianischer Bekannter als Kind überhaupt nicht mit schwarzem Pfeffer konfrontiert war, aktiviert »Pfeffer« auch nicht nach der Darbietung des Begriffs »Salz«. Anderes Beispiel: Je häufiger sich Ihre Gedanken um Sicherheit drehen, umso aktiver wird dieser Gedanke in Ihrem Gedächtnissystem und damit alles, was mit Sicherheit zusammenhängt. Wenn jemand wie Mark-Rüdiger etwa eine Reise plant, wird er mit einiger Wahrscheinlichkeit denken: »Hoffentlich bin ich in dem Land auch sicher.« »Hoffentlich kann ich das Wasser dort trinken.« »Hoffentlich wird mein Gepäck nicht geklaut.« Als Folge dieser hoch aktiven Gedächtnisspuren wird er sich erkundigen, welches Wasser man ohne Bedenken trinken kann, er wird beim Buchen des Hotels darauf achten, dass es nicht in einer gefährlichen Gegend liegt, und er wird daran denken, sein eigenes, unkontaminiertes Bettzeug mitzunehmen. Wir hatten die chronische Aktivierung bestimmter Netzwerke im Gedächtnis als Selbstkonzept definiert.
Aber auch bei jemandem, den Sicherheitsgedanken weniger plagen als Mark-Rüdiger, kann es passieren, dass ein ähnliches Netzwerk aktiviert wird. Denn: Neben Häufigkeit ist Zeitnähe ein wichtiger Faktor dafür, welche Netzwerke aktiviert werden und welche nicht. So kann es beispielsweise sein, dass Zö vorhat, nach Kapstadt zu reisen, und kurz zuvor hört, dass man dort vorsichtig sein muss. In dem Fall wird auch sie noch kurz vor Reisebeginn eine Versicherung abschließen, sich die Lage des Hotels genau besehen und nachts ein Taxi dorthin nehmen, anstatt durch die Slums zu bummeln. Während bei Mark-Rüdiger eine chronische Aktivierung von Sicherheitsgedanken vorliegt, kann eine zeitnahe Aktivierung von Sicherheitsaspekten bei Zö ausnahmsweise ein sehr ähnliches Verhalten hervorrufen. Dann werden auch ihre Gedanken eine Zeitlang vor allem um Fragen der Sicherheit kreisen; sie wird vorsichtiger, ängstlicher, weniger kreativ sein. Nach dieser Reise wird Zö allerdings wieder ganz die Alte sein. Gängige Gedächtnismodelle würden
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