Unser Autopilot - wie wir Wünsche verwirklichen und Ziele erreichen können
Abstrakt und aus der Ferne betrachtet, ist eine Operation »mit unvorhersehbarem Ausgang« sicherlich bedrohlich oder »aversiv«, wie wir Psychologen sagen. Je näher der Termin aber rückt, umso mehr können uns konkrete Informationen die Angst nehmen. Etwa wenn wir erfahren, dass bei solchen Operationen selten etwas schief geht. Oder wenn wir den Arzt persönlich kennenlernen, und er, so wie er vor uns steht, einen guten Eindruck auf uns macht, wir darüber in Kenntnis gesetzt werden, was er tun wird und dass er das schon oft gemacht hat. Kurz, zukünftige negative Situationen können mit der Zeit durchaus positiver werden. Allerdings kann auch der umgekehrte Fall eintreten: Sind die konkreten Details, je näher man einem Zielzustand, etwa einer OP, kommt, wenig erfreulich, dann steigt unsere Angst. Entscheidend ist: Aus der Ferne motiviert das Abstrakte, aus der Nähe das Konkrete. Je nachdem, wie positiv oder negativ die zukünftige Situation ist, verändern sich unsere Stimmung und unsere Motivation mit der Nähe zum Ziel.
Zielsysteme
Die Unterscheidung abstrakt-konkret findet eine Entsprechung bei der Speicherung von Handlungen im Kopf, die bereits in Prinzip 4 über bewusste und unbewusste Zielerreichung angesprochen wurde. Wie wir gesehen haben, sind Ziele meist abstrakter als die konkreten Mittel zur Zielerreichung. Haben wir uns für ein Ziel entschieden, dann gibt es im Allgemeinen verschiedene Wege, es erfolgreich anzugehen. Nehmen wir an, Sie wollen im Regenwald wandern gehen. Dann können Sie in Deutschland ein wenig vortrainieren, indem sie gehäuft Wanderungen machen, Sie können im Fitnessstudio »vor allem Beine machen«, oder Sie können sich zunächst einmal die richtige Ausrüstung zulegen, falls Sie noch keine haben, und hoffen, dass dann alles leichter geht. Vor allem Deutsche verkleiden sich doch so gerne, wenn Sie Sportarten nachgehen. Zum Regenwaldwandern gehören natürlich karierte, atmungsaktive Hemden, nahtfreie Jacken (sonst dringt Regen durch die Naht), atmungsaktive, schnellwaschbare und -trocknende Unterbuxen, Trekkingstöcke mit Antischlagsystem, Wanderschuhe, Wetterhose zum Drüberstreifen, Mückenmittel etc.). 47
Welches die jeweils geeigneten Mittel zur Zielerreichung sind, haben wir für gängige, bekannte Ziele gelernt und im Gedächtnis abgespeichert. Nur die Verfolgung eines neuen Ziels, bei dem uns die Übung fehlt, erfordert Kraft und Willen. Wie in Kapitel 4 beschrieben, können einmal abgespeicherte Mittel zur Zielerreichung automatisch, unbewusst aktiviert werden, sobald wir ein Ziel verfolgen. Pläne oder Handlungsketten im Langzeitgedächtnis erlauben es uns nämlich, sehr schnell zu reagieren. So hat der geübte Wanderer sofort einen ganzen Handlungsplan zur Hand, wenn es anfängt zu regnen. Das ist unglaublich praktisch, denn es erspart uns Planungsarbeit.
Zudem helfen uns Pläne nicht nur, Handlungsabfolgen festzulegen (wenn ich A gemacht habe, dann kommt B), sondern sie erlauben uns auch, automatisch die günstigste Gelegenheit für einen Handlungserfolg zu entdecken. Gollwitzer zufolge beinhaltet ein abgespeicherter Plan nützliche Wenn-dann-Routinen, die in dem Moment automatisch aktiviert werden, wenn die Situation günstig ist. Nehmen wir an, ich will meinem Pianisten einmal auf die nette Art sagen, er möge nicht dauernd in der Nase bohren. Nehmen wir an, er ist wie fast alle Pianisten ein sehr sensibler Mensch. Pianisten, die Sänger begleiten, fühlen sich oft zurückgesetzt; denn tatsächlich achten die wenigsten Zuhörer auf den Mann am Klavier, selbst wenn der musikalisch häufig mehr kann als die angehimmelte Diva, die dauernd unterm Ton hängt. Jedenfalls hat man als Sänger dauernd das Gefühl, den wahren Musikern etwas schuldig zu sein. Und so weiß man auch, Sensibilität ist angesagt, will man an ihnen Kritik üben.
Also fasse ich folgenden Plan: 1. Sag es ihm nur, wenn du guter Stimmung bist, weil du dich in schlechter Stimmung sowieso nur im Ton vergreifst und es nichts bringt außer Zwist. 2. Sag es ihm nur, wenn er in guter Stimmung ist, denn in schlechter Stimmung ist er nicht dazu bereit, etwas Neues aufzunehmen. 3. Sag es ihm, wenn du ihn in flagranti erwischst. 4. Sag es ihm nicht in diesem Elternton, sondern sag es ihm in Form einer Frage : Sag mal, ist dir eigentlich schon einmal aufgefallen, dass du – vermutlich aus Nervosität – in der Nase bohrst? 5. Sag ihm, dass es dir nichts ausmacht, wenn er in der Nase bohrt, aber dass er
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