Unser Leben mit George
wieder
aufgegeben.«
»Aha!« Diesmal stand kein Fragezeichen
dahinter. Meine Rektorin, Miss Kynaston, kam mir wieder in den Sinn, und die
kurz angebundene, missbilligende Art, wie sie mit mir gesprochen hatte, als ich
dabei ertappt worden war, wie ich in Gedanken versunken mit der Spitze meines
Zirkels die Worte » I love the Beatles « in einen Tisch des Chemieraumes
ritzte.
Mit verlegenem Lächeln sah ich Janine
an. »Vermutlich war es nicht gut aufzugeben, nicht wahr?«
»Vermutlich nicht!«
»Oje! Kann ich Ihnen einen Tee oder
Kaffee anbieten? Und möchten Sie sich George jetzt ansehen?«
»Ihn ansehen?« Wir sahen beide auf den
Hund, der fest schlafend auf dem Sofa lag. »Wecken wir diesen schlafenden Hund
lieber erst mal nicht. Wissen Sie, ich glaube, es ist viel besser, wenn wir
weiter über Sie sprechen.«
»Über mich?«
Sie nickte. »Und über Ihre Familie.
Über Zach zum Beispiel.«
»Zach? Was hat der mit George zu tun?«
Janine lächelte und legte ihre Hand auf
meine. »Verstehen Sie mich nicht falsch, Judith. Aber, wissen Sie, ich habe die
Erfahrung gemacht, dass Hunde sehr sensible Tiere sind. Sie haben ein sehr
feines Gespür für die Gefühle ihrer Besitzer. Sie merken, wenn etwas nicht
stimmt. Spannungen in der Familie — solche Sachen. Ich kann Ihnen alles
Mögliche empfehlen, wie man George beruhigen könnte — zum Beispiel könnte man
einen Pheromon-Zerstäuber in sein Zimmer stellen — , und kann Ihnen auch viele
Tipps geben, wie Sie ihn behandeln sollten...«
»Genau das brauche ich!«
»Aber Sie sind seine Besitzerin. Und
damit sind Sie für sein Benehmen verantwortlich. Ihre Befindlichkeit
beeinflusst ihn. Fühlen Sie sich zum Beispiel unsicher oder sind Sie
unglücklich, dann wird er es auch sein. Und ich muss mich einfach fragen, ob
George hier wirklich der Einzige ist, bei dem sich etwas verändern muss.«
25.
Kapitel
Es war ein herrlicher Sonntagmorgen an
einem dieser goldenen Spätsommertage, wie es sie nur Anfang Oktober gibt. Die
Luft war mild, und die Sonne sorgte für ein ganz besonderes Licht. Alles, was
sie berührte — die Häuser, die Bäume, die Hummeln und selbst das Unkraut, das
sich in meinem Garten breitgemacht hatte — , sah aus wie in flüssiges Gold
getaucht.
In meiner Wohnung dagegen schien die
Unterhaltung vor Säure zu triefen.
»Lass uns doch heute mal eine schöne,
ausgedehnte Wanderung machen«, schlug Zach vor. Wir saßen am Küchentisch an der
geöffneten Balkontür, lasen die Zeitung und tranken unsere dritte Tasse Kaffee.
»Okay«, sagte ich, und kurz darauf
fügte ich hinzu: »Vielleicht möchte Joshua ja auch mitkommen.«
»Joshua?« Die Art und Weise, wie mein
Partner den Namen meines Sohnes wiederholte, irritierte mich. »Der schläft doch
noch, oder?«
»Ich könnte ihn ja wecken.«
»Lass den Jungen in Ruhe, Judith. Es
ist Sonntagmorgen. Du weißt ganz genau, dass er nicht mitkommen würde! Er
bleibt doch viel lieber in London und treibt sich auf dem Markt in Camden
herum, oder er spielt Poker und benimmt sich mit seinen Freunden daneben.«
»Genau das befürchte ich ja.«
»Außerdem ist Wandern nicht sein Ding.
Das langweilt ihn doch nur.«
»Es würde ihm aber guttun, zur
Abwechslung mal an die frische Luft zu kommen, Zach, anstatt immer die
verpestete Stadtluft einzuatmen oder vor dem Computer zu hocken!«
»Genau. Und welcher gesunde Teenager
will schon das tun, was gut für ihn ist? Außerdem«, fuhr er in leicht gereiztem
Tonfall fort, »wir beide haben in letzter Zeit nicht gerade viel Zeit
füreinander gehabt. Ist es zu viel verlangt, wenn ich dich mal einen Tag ganz
für mich haben möchte?«
Ich trank meinen Kaffee aus. »Und was ist
mit George?«, fragte ich.
»Was soll mit ihm sein?«
»Na ja, wenn wir eine Wanderung machen,
dann können wir ihn doch wohl wenigstens mitnehmen, oder?«
Zachs Seufzer war der eines schwer
geprüften Mannes. »Wir wollen doch auch irgendwo essen, nicht wahr? Und er wird
nicht mit hineindürfen. Und außerdem würde er unterwegs — du weißt schon, was.«
»Wir können doch die Fenster aufmachen.
Dann kannst du es doch sicher aushalten«, sagte ich kühl. Offenbar zweifelte er
daran, denn über dem Frühstückstisch lag eine eisige Stille. »Zach?«
»Sieh mal, ich möchte richtig wandern,
ein paar Meilen. Ich brauche Bewegung. Das wäre zu viel für George mit seinem
schwachen Hinterbein. Er würde müde werden.«
»Dann muss ich ihn ausführen, ehe wir
gehen.« Jetzt war
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