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Unser Leben mit George

Unser Leben mit George

Titel: Unser Leben mit George Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Summers
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Zäunen
begrenzt, dahinter waren hohe Bäume, bemooste Baumstämme und dichtes Unterholz.
Hier musste es Hunderte von Kaninchen und Eichhörnchen geben, zweifellos auch
Füchse, denn George hatte ununterbrochen die Nase am Boden und schnüffelte
aufgeregt herum, während er an der Leine zog und sein Schwanz Überstunden
machte. Ich fasste die Leine kürzer. Es dauerte nicht lange, da sah ich Kenwood
House durch die Bäume schimmern. Sofort fühlte ich mich besser, wie immer bei
diesem Anblick. Das ehemalige Herrenhaus war ein Meisterwerk von Robert Adams,
dem Architekten des 18. Jahrhunderts, der hier ein noch älteres Haus für
William Murray, den ersten Earl of Mansfield, umgebaut hatte. Mansfield war
Politiker und Richter gewesen und spielte eine wichtige Rolle bei der
Abschaffung der Sklaverei in England. Auf ihn geht die berühmte
Somerset-Entscheidung von 1772 zurück, bei der es um das Schicksal des
entlaufenen Sklaven James Somerset ging. Diese besagte, dass kein Sklave gegen
seinen Willen von seinem Eigentümer aus England entführt und im Ausland
verkauft werden durfte.
    Der Palast, den Robert Adams für
Mansfield erbaut hatte, ist ein wahres Juwel. Er steht auf einem Hügel am
nördlichen Rand von Hampstead Heath und ist mit blendend weißem Stuck verputzt,
so dass er einer länglichen, flachen Hochzeitstorte mit aufwendiger Verzierung
ähnelt. Ein späterer Eigentümer, der Brauereibesitzer Edward Cecil Guinness,
vermachte es 1927 dem Staat, und heute ist es ein Museum voll unschätzbarer
Gemälde. Oft wird es auch als Filmkulisse gewählt, am besten bekannt vielleicht
aus dem Film Notting Hill, wo es den Hintergrund für ein schwerwiegendes
Missverständnis zwischen Hugh Grant und Julia Roberts bildet.
    Vielleicht hätte mir das eine Warnung
sein sollen.
    Ich ging an dem kleinen See mit der
Brücke vorbei und den grasbewachsenen Hügel hinauf, auf dem das Haus steht.
Oben wartete Zach schon auf mich. Er begrüßte mich mit einem so herzlichen
Lächeln, dass ich plötzlich wieder eine große Liebe für ihn empfand. Unsere
Differenzen waren nicht seine Schuld. Zumindest nicht alle! Er konnte ja nichts
dafür, dass er etwas anderes vom Leben erwartete als ich. Aber als wir die
Decke ausgebreitet hatten, die er mitgenommen hatte, und das Picknick
ausgepackt hatten, war dieser Moment verflogen. Am klaren blauen Himmel über
uns zogen Wolken auf. George bemerkte es nicht. Er war viel zu sehr damit
beschäftigt herauszufinden, womit die Sandwichs belegt waren.
    »Kannst du ihn denn nicht unter
Kontrolle halten?«, rief Zach, als mein Hund über die Decke lief, um ein
heruntergefallenes Stück Hähnchen zu erwischen.
    Im Interesse des Friedens und der
Hygiene tat ich, was ich konnte. »Runter, George! Sitz! Runter! So ist’s brav!«
Und mit etwas Bestechung — dem halben Belag von meinem Sandwich — gehorchte
George auch. Bis das Essen alle war.
    Wir nahmen uns die Sonntagszeitungen
vor und versuchten, zu lesen. Wir versuchten es, denn jedes Mal, wenn
ich die Zeitung öffnete, erschien Georges Kopf entweder darunter oder darüber.
Zach seufzte gereizt. Da es hier wenige Hunde gab, ließ ich George schließlich
von der Leine. Ich wusste, er würde nicht weit weglaufen, das tat er jetzt nie
mehr. Seit er angefallen worden war, hatte er eine schreckliche Angst vor
anderen Hunden und blieb wie angewurzelt stehen, sobald er einen sah. Aber als
er einen weiteren Cavalier entdeckte, der unten am See herumtobte, stellte er
die Ohren auf und rannte hin, um ihn zu begrüßen. Wie alle Hunde seiner Rasse
erkannte er Artgenossen sofort und begrüßte sie jedes Mal.
    »Ich glaube, ich gehe lieber
hinterher«, sagte ich. »Ich vermute sogar, er dürfte hier gar nicht frei
herumlaufen.«
    »Mach dir doch nicht schon wieder
Gedanken um ihn«, sagte Zach. »Warum entspannst du dich nicht endlich und liest
die Zeitung, solange wir mal Ruhe haben?«
    Ich setzte mich hin und las, sah aber
immer wieder hoch, um George im Auge zu behalten, der unten am See war, ganz in
der Nähe des Wäldchens, durch das wir gekommen waren. Inzwischen hatten sich
die Wolken dicht zusammengeballt, und die Sonne war weg. Es wurde windig, ich
fröstelte.
    »Ich glaube, es wird gleich regnen«,
sagte ich.
    »Wieder etwas, worum du dir Sorgen
machen kannst«, murmelte Zach. Ich biss die Zähne zusammen.
    Und es fing an zu regnen — ganz
plötzlich und genauso monsunartig wie vor dreieinhalb Jahren, als Zach und ich
uns im St. George’s Hotel

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