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Unser Mann in London

Unser Mann in London

Titel: Unser Mann in London Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Moritz Volz
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Anzahlung des neuen Heims viel mehr Bargeld als fünf Jahre zuvor zur Verfügung, das hieße, ich könnte einen viel größeren Kredit aufnehmen und mir eine viel größere Wohnung zulegen.
    Und wenn ich dann den Kredit für diese größere Wohnung irgendwann nicht mehr zurückzahlen könne?
    «Sei doch nicht lächerlich! Wer denkt denn an so etwas?»
    Um mich herum kauften alle Wohnungen, Graham, Twig, die anderen Jungs von Arsenal. Überall sah ich plötzlich nur noch «Zu kaufen»-Schilder. Auf der Hauptstraße jedes Londoner Stadtviertels, fiel mir nun auf, gab es einen Bäcker, einen Kramerladen, ein Wettbüro – und mindestens zwei Immobilienmakler.
    Manche Makler hatten ein Café in ihr Geschäft integriert. Ich stellte mir die Bestellungen vor: Einen Cappuccino bitte. Ach, und dann nehme ich noch eine Drei-Zimmer-Wohnung.
    Okay, sagte ich mir. Ich könnte ja einfach mal schauen; nur mal schauen.
    Steve rechnete mir vor, für welch riesige Summen ich mir eine Wohnung auf Kredit kaufen könnte. Er hatte angesichts meines Arsenal-Gehalts hochgerechnet, welches Darlehen ich bestenfalls beantragen konnte. Dass ich auf keinen Fall einen Kredit über mehrere hunderttausend Pfund aufnehmen wollte, konnte er nicht nachvollziehen. Aber von meinem Gehalt wäre das wirklich möglich, beteuerte er. Dass mein Vertrag nur noch für zweieinhalb Jahre gültig und danach alles offen war, schien ihn nicht zu stören.
    Die Immobilienmakler redeten über 300000 oder 400000 Pfund, als ob jeder Bürger solche Summen mal eben hinlegen konnte und als ob sie selber schon fünf Häuser hätten. Warum ihre Anzüge dann von den Billigketten
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oder
Burton
waren, fragte ich sie nicht, sondern dachte es mir nur.
    Die Makler zeigten mir «atemberaubende Wohnungen», die immerzu «auf äußerst bezirzende Art just renoviert» worden waren und grundsätzlich in «extrem charmanter Gegend», «in der Nähe äußerst modischer Shops und Restaurants» lagen. Ich schaute hinein und sah oft nur dunkle Löcher mit riechenden Teppichen, die bei zwei oder drei Zimmern 250000 Pfund kosten sollten. Das waren beim damaligen Wechselkurs gut 750000 D-Mark.
    «Sei nicht lächerlich, in drei Jahren ist die Wohnung 300000 Pfund wert!», sagte Steve.
    Ich blieb skeptisch. Aber ohne dass ich es merkte, dachte ich schon gar nicht mehr ans Mieten. Ich dachte nur daran, dass ich vielleicht irgendwo doch noch eine schöne Eigentumswohnung finden würde.
    Ich zeige meinen Eltern, welche Wohnung ich kaufen will (die im Obergeschoss).
    In Enfield, östlich von Barnet, wo die Londoner U-Bahn schon nicht mehr hinreicht, geraten die Bäume gegenüber den Häusern in Überzahl. Die Gebäude stehen nicht mehr so eng, Pferdeställe und ein Golfklub reißen das Meer der Häuser auf. Hier bekommt man eine Ahnung, dass auch diese Stadt – sogar diese Stadt – irgendwann Wäldern, Wiesen und Dörfern weicht. In Enfield, in einer Straße namens The Ridgeway, hinter einem plätschernden Zierbrunnen mit nacktem Amor, sah ich in einem länglichen Mehrfamilienhaus eine Maisonette-Wohnung.
    «Du kannst dem Besitzer nicht zahlen, was er verlangt, du musst verhandeln!», sagte Steve. Und so stürzte ich mich in jene Verhandlungsschlacht, die zum Londoner Immobilienkauf unverzichtbar dazugehört. In derselben Mischung aus Stolz und Dramatik, mit der Londoner nach einem Wochenende mit viel zu viel Alkohol von ihren Ausrastern erzählen, berichten sie von ihrem Kampf ums Eigentum.
    «Der Makler wollte mich abzocken, absolut ausnehmen.»
    «Also, ich habe meinem mit einem Angebot von 20 Prozent niedriger klar die Grenzen aufgezeigt.»
    «Aber bei mir tauchte plötzlich dieser verfluchte Hornbläser vom BBC -Orchester auf und bot in letzter Sekunde mit.»
    «Mann, habe ich geschwitzt.»
    «Ich habe noch mal um fünf Prozent erhöht, weil ich fühlte, dann ist der Hornbläser raus.»
    «Und der Verkauf meiner alten Wohnung stockte plötzlich.»
    «Das Darlehen bei der Bank war noch nicht durch.»
    «Ich weiß heute noch nicht, wie alles doch noch gut ausgehen konnte.»
    Nach einem monatelangen Hin und Her, mit Angeboten und Gegengeboten, kaufte ich schließlich die Maisonette am Rigdeway. Ich war noch nicht ganz 19 und Wohnungsbesitzer. Heute würde ich sagen: Ich war in London angekommen. Damals fragte ich mich: Weißt du, was du tust?
     
    Nun, da ich eine Wohnung besaß, musste ich erst einmal überlegen, was ich damit machen wollte. Ich studierte Magazine, die
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