Unser Mann in London
Wohnen
,
Living etc
oder
World of Interiors
hießen. Säuberlich schnitt ich alle Einrichtungsideen aus, die mir gefielen. Ich stellte Collagen mit den ausgeschnittenen Küchenschränken, Parkettböden und Anrichten zusammen. Danach schaute ich die Entwürfe nie mehr an.
Die Vorstellung, dass man nur einmal eine Küche und eine Wohnzimmergarnitur kaufte und die Einrichtung deshalb sofort passen musste, hemmte mich. Was, wenn ich etwas Scheußliches auswählte?
Ich fuhr zu IKEA Wembley und erwarb zwei Barhocker für die Küche, ein Bett und ein Gästesofa. Danach kaufte ich gut ein halbes Jahr lang keine weiteren Möbel mehr. Im Wohnzimmer standen mein Fernseher und eine Stereoanlage. Auf dem Teppichboden im leeren Raum sah man noch die Abdrücke der Möbel des Vorbesitzers. Ich saß auf dem Boden, gegen die Wand gelehnt und sah fern.
Ich gewöhnte mich zwar nicht daran, dass ich in einer leeren Wohnung lebte. Ich befasste mich jeden Tag damit, was ich ändern sollte, wie ich sie einrichten könnte. Aber ich brauchte auch nicht mehr Möbel zum Leben.
Anneke und eine Freundin kamen zu Besuch und tanzten Ballett im Wohnzimmer. Der Raum schien einfach dafür gemacht; beziehungsweise es schien das Einzige, was man in dem leeren Zimmer machen konnte.
Meine «vier» Eltern gemeinsam in Barnet – rechts die echten, links die Flints.
Meine Eltern kamen. Mein Vater testete gleich den nahen Pub aus und schleppte von dort einen Mann namens Brian an. Der Brian repariere mal die klemmende Schublade, sonst werde die bei den Zuständen in diesem Haushalt noch in einem Jahr kaputt sein, er selbst könne es ja nicht machen, er habe ja kein Werkzeug hier. Wenn bei uns zu Hause in Bürbach etwas nicht funktionierte, hatte es meinen Vater nie interessiert.
Meine Mutter schleppte täglich irgendwelche Möbel an, die sie meiner Einschätzung nach auf Londons Trödelmärkten erstanden hatte. Ich warf sie alle wieder raus. Ich komme wohl mit 19 in die Pubertät, entrüstete sich meine Mutter. Und sie wusste noch nicht einmal vom gestohlenen Kitkat.
Nach gut sechs Monaten hatte ich genug Mut für die erste Entscheidung gefasst. Ich warf den guten, alten englischen Teppich raus und ließ Parkettboden verlegen. Selbstverständlich war sogar das Bad mit Teppich ausgestattet worden, wenngleich in dieser Wohnung, anders als bei den Flints, zumindest die Außenwand der Badewanne und der Toilettendeckel vom Teppich verschont geblieben war. Ich war so begeistert, wie viel besser die Maisonette mit Parkett aussah, dass ich bei der Abnahme dem Handwerker sofort sagte, alles wunderbar, super. Dass er die billigsten Fußleisten verwendet hatte, merkte ich erst später.
Der Erfolg meiner ersten Einrichtungsentscheidung beflügelte mich. Ich ließ ein kleines Bad in das Schlafzimmer einbauen und wagte mich an die Möbel heran.
Von den richtigen Erwachsenen in Bürbach hatte ich gelernt, dass man bei großen Anschaffungen durchaus nach Rabatt fragen konnte. So ängstlich ich bei der Auswahl der Möbel war, so kühn trat ich gegenüber den Möbelverkäufern auf. Ich fragte sie unverfroren, ob sie mir das Sofa nicht 15 Prozent billiger gäben, wenn ich dazu auch noch das Nachttischchen nehmen würde. Ich war lange genug in England, um zu wissen, dass es sowohl für den Käufer als auch für den Verkäufer das Peinlichste war, so dreist zu feilschen. Im Radio hörte ich einmal, wie viele Millionen Pfund Briten jedes Jahr verschwendeten, nur weil es nicht in ihr Verständnis von Höflichkeit passte, nach Rabatten zu fragen. Aber ich war offenbar noch immun gegen diese englische Zurückhaltung.
Mit niedergeschlagenen Augen stotterten die Verkäufer dann meist, also, ein Rabatt, das könnten sie nicht entscheiden, da müssten sie den Chef fragen und der sei leider nicht da. Das war ihr Angebot, dass wir beide, sie und ich, unser Gesicht retteten: Ich hätte nun einfach sagen sollen, ach, machen Sie sich keine Sorgen, ich nehme das Sofa dann einfach zum normalen Preis. Aber ich sagte: Okay, dann warte ich auf den Chef.
Ich bekam dann meistens tatsächlich einen Preisnachlass. Und meine Wohnung wurde plötzlich richtig voll. Weil ich, um zu feilschen, oft zwei Möbelstücke statt eines nahm.
Es kamen nicht nur Gäste, sondern Mitbewohner. Anneke zog zu mir.
«Oh, dann seid ihr also endlich zusammen!», rief Steve.
«Nein, nein, sie kommt, um in London internationales Management zu studieren.»
Außerdem nahm ich vorübergehend einige
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