Unser Mann in London
wollte, kein Wunder, dass es nicht klappte. Und der eine oder andere Ballkönig kniff die Augen so trotzig zusammen, dass ich mir schon vorstellen konnte, was er morgen seinen Freunden erzählte: Gestern hat ein Profi von Fulham bei uns mitgespielt, der konnte ja gar nichts, ehrlich, da war das, was ich mit dem Ball machte, eine ganz andere Soße.
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Neunzehn Gordon Taylors Tischgebete
Einmal im Jahr verkleidete ich mich als Gentleman. Ich legte den Smoking an, band die Fliege um den Hals und machte mir keine großen Hoffnungen, elegant auszusehen. Wenn ich nicht komisch aussah, war das schon ein Erfolg.
Das Licht der vergoldeten Kronleuchter war heruntergedimmt, als Anneke und ich die Treppen zum Festsaal des Grosvenor House hinunterstiegen. Männer im Frack und einige wenige Frauen in Röcken, kurz wie Gürtel, kreuzten unseren Weg. Manche, die ich oberflächlich kannte, begrüßten mich im Vorbeigehen wie den besten Freund: «Wie geht es, Moritz? Wie geht es Deutschland? Es ist so phantastisch, dich zu sehen. Wir reden später!» Ich konnte gerade noch ein «Auf jeden Fall, wir müssen unbedingt reden» als standesgemäße Antwort hinterherschieben, dann waren wir schon wieder fünf Meter auseinander und ganz woanders. Es ging mir auf der jährlichen Abendgala der Gewerkschaft englischer Profifußballer PFA wie bei der eigenen Hochzeit: Man war die längste Zeit damit beschäftigt, sich auf ein kurzes Gespräch später zu verabreden, und wusste im selben Moment schon, dieses Gespräch würde es nie geben.
Eine Abendgala in London ist immer auch eine Zeitreise zurück in ein Land, in dem alles so bleiben sollte, wie es schon immer war. Es spielt kaum eine Rolle, ob das Kulturministerium, der Verband britischer Zahnärzte oder die Profifußballer zur Gala bitten, gefeiert werden immer die englischen Traditionen und Protokolle, die noch aus den Jahren des Empire stammen. So saßen Profifußballer mit falschen Diamantenohrringen im sichtlich geliehenen Smoking auf den roten Samtstühlen des Landmark. Ihre Hände trommelten nervös auf den steifen, blütenweißen Tischdecken, während der Geschäftsführer der PFA vor dem Essen das Tischgebet sprach, weil es schon immer so gewesen war. Die Form zu wahren, hat nicht nur eine enorme Wichtigkeit auf diesen Veranstaltungen, oft scheint es der eigentliche Anlass der Zeremonie. Kein Wochenende vergeht in London, an dem nicht irgendein Verband oder eine Stiftung zur Gala bittet, um sich daran zu erinnern, dass in diesem Land die uralten Institutionen – von der Königlichen Gesellschaft der Naturwissenschaftler bis zur Vereinigung der Rennpferdezüchter – lebendig sind.
Ich war mit Unterschrift meines ersten Lizenzspielervertrags mit 17 automatisch in die PFA eingetreten, ohne dem Akt eine größere Bedeutung zu schenken. Ich hatte von Fußballergewerkschaften gehört, in Deutschland gab es auch eine, die VdV. Ich konnte nicht ahnen, welch ein Unterschied zwischen der PFA und allen anderen Fußballervereinigungen bestand. Während die anderen Nischengewächse sind, ist die PFA eine Macht. 1907 gegründet, hat sie durchgesetzt, dass sie von jedem Spielertransfer eines englischen Klubs zehn Prozent erhält. Ruft man sich ins Gedächtnis, dass englische Klubs heutzutage jede Saison über 200 Millionen Pfund bei Transfers einnehmen, bekommt man einen Eindruck von der finanziellen Stärke der Gewerkschaft, die auch von den Fernsehgeldern profitiert. Irgendwann sah man den Geschäftsführer der PFA , Gordon Taylor, auf einer Kunstauktion. Er suchte wohl nach neuen Wegen, das Geld anzulegen.
Vom Rechtsbeistand über Lebensversicherungen und Berufsausbildungen nach der Karriere bis zu günstigen Konditionen beim Autokauf bietet die PFA alles an, was einem Profifußballer helfen könnte. Es wurde der zweite Titel, den ich in meiner Fußballkarriere gewann: PFA -Vertreter beim FC Fulham. (Mein erster Titel war:
Reading Champion
, Lesemeister. So hieß das Projekt zur Leseförderung, an dem ich teilnahm.)
Einer der ersten Fälle, um die ich mich als PFA -Repräsentant kümmern musste, war ich selbst.
Ich hatte gegen Tottenham Hotspur Innenverteidiger spielen müssen und meine Unerfahrenheit auf dieser Position mit der ersten Gelb-Roten Karte meiner Karriere wegen wiederholten Foulspiels dokumentiert. Ein paar Tage später bekam ich Post von Fulhams Klubsekretär. Ich müsste für den Platzverweis eine vereinsinterne Strafe zahlen. Mal abgesehen davon,
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