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Unser Mann in London

Unser Mann in London

Titel: Unser Mann in London Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Moritz Volz
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Fall mit der für einen
gentlechap
gebotenen äußeren Ruhe: «Wie geht es uns, Moritz?»
    «Nicht so …» Er fiel mir ins Wort.
    «Ich nehme an, dir geht’s gut, Kumpel, phantastisch, Moritz. Ich werde streuen, dass du einen neuen Verein brauchst.»
    «Es ist ziemlich dringend, Dave.»
    «Natürlich, klar, Moritz, ich war auch gerade wieder bei Michael Carrick, dem habe ich einen phantastischen Vertrag bei Manchester United besorgt.»
    «Schön für ihn.»
    «Nun, es tut mir leid, Moritz, dass das mit Fulham nicht gerade appetitlich für dich aussieht, aber ich sage immer: Jede Nachricht ist eine gute Nachricht, wie bei den Beckhams.»
     
    Ipswich Town wollte mich für eine Saison von Fulham ausleihen. Sie spielten in der zweiten Liga.
    Ein Profi sagt: Das ist eine neue Herausforderung. Ein Profi sagt: Das ist doch ein traditionsreicher Verein, UEFA -Cup-Sieger 1981. Ich fühlte: Das ist der Abstieg, zweite Liga.
    Ich unterschrieb in Ipswich und weigerte mich, London aufzugeben. Wir wohnten weiterhin in Fulham. Morgens um halb sieben machte ich mich auf den Weg zum Bahnhof Liverpool Street. Von dort waren es eine Stunde und sieben Minuten mit dem National Express bis Ipswich Station. Aus dem Mann mit dem Klapprad wurde der Mann, der den Busfahrplan kennt. Ich nahm in Ipswich gelegentlich den Stadtbus vom Bahnhof zum Trainingszentrum. Ich dachte, wenn ich mich einer Stadt vom Bus aus annäherte, lernte ich sie besser kennen.
    In meiner
Times
-Kolumne schrieb ich, dass der sportliche Unterschied zwischen Premier League und zweiter Liga gar nicht so groß sei. Und das stimmte auch. Aber was ich fühlte, war etwas anderes. Ich kam mir ausgeschlossen vor, weit weg von der Fußballwelt, die ich als meine Heimat betrachtete.
    Das Schambein schmerzte unverändert, ich nahm Schmerzmittel, ich brach das Training ab, der Trainer sagte: «Hey, dem Volzy passt das Wetter nicht, er geht schon in die Umkleidekabine», und es wurde erwartet, dass ich darüber lachte. Wenn es Samstag wurde, spritzte mir der Mannschaftsarzt Betäubungsmittel, ich lief für Ipswich auf und wusste schon vor dem Anpfiff, richtig gut kannst du mit den Schmerzen gar nicht spielen.
    Ich dachte an meinen Bruder Konni. Er spielte neben dem Studium zum Spaß in der sechsten Liga für ein Team namens TSV Weißtal. Hatte er es nicht besser? Einmal sah ihr Torwart die Rote Karte, sie konnten nicht mehr auswechseln, Konni ging als Feldspieler ins Tor und wurde die Katze vom Henneberg. Er gewann seinem Team mit drei gehaltenen Elfmetern die Partie im Westfalenpokal gegen Oestrich-Iserlohn. Er konnte davon mit so einer kindlichen Begeisterung erzählen, und ich musste daran denken, dass wir uns als Kinder in den Fußball doch deshalb verliebt hatten, weil er uns solche übersinnlichen Momente schenkte. Ich dagegen war Fußballer und spürte diese Momente nicht mehr. Ich hatte selbst in meinen schönsten oder erfolgreichsten Augenblicken immer das Gefühl, dass ich über meine Fußballerlebnisse nicht so leidenschaftlich leicht, nicht so unschuldig enthusiastisch reden konnte wie Konni. Die Leute wussten doch sowieso schon alles aus der Zeitung, die Leute hatten doch auch die zwei schlechten Aktionen von mir in dem guten Spiel gesehen, ich sollte doch lieber schon an das nächste Spiel denken, wenn wir im nächsten Spiel verloren, war mein tolles Match gegen Chelsea sowieso schon vergessen.
    Im Januar 2009 wurde ich an der Leiste operiert, zwei Wochen fühlte ich mich gut, dann kamen mit dem Training die Schmerzen zurück. Ich dachte, ich wurde doch operiert, was kann denn jetzt noch sein, nahm mehr Schmerzmittel, machte mehr Spiele, in denen ich vor Schmerzen keine Haken schlagen und nur verkrampft flanken konnte, und wurde ein weiteres Mal operiert, dieses Mal an der anderen Leiste, aber ich wurde nicht mehr fit. Mein Vertrag beim FC Fulham lief aus. Ich hatte keinen Verein, aber dafür umso mehr Schmerzen.
    Ich fuhr noch einmal zum Arzt nach München. Ich hoffte, er würde mir sagen, es sei nicht so schlimm, das heile schon von selbst; das musste mir der Arzt doch sagen, ich musste mich dringend bei neuen Vereinen vorstellen, die Saisonvorbereitung begann schon. Ich
musste
gesund sein. Der Arzt sagte, eine Sehne an der Leiste sei gerissen. Drei Monate Pause, absolutes Ballverbot.
     
    Ich prüfte unser Konto und versuchte das Positive zu sehen. Du hast Geld zur Seite gelegt, um eine Zeit ohne festes Gehalt überbrücken zu können, sagte ich mir, andere in

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