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Unser Spiel

Unser Spiel

Titel: Unser Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carre
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Du liebe Zeit!« rufe ich. Wir schütteln uns die Hände, dann, zu meinem Erstaunen, umarmt er mich und reibt seine Designerstoppeln an meiner frischrasierten Wange. Er hat mich nie umarmt, solange er mein Joe war. »Wunderbar. Endlich hast du’s geschafft. Emma, das ist Larry.« Ich halte ihn jetzt am Arm. Auch das ist für mich etwas Neues. »Gott hat uns beide nach Winchester und dann nach Oxford geschickt, und seitdem hab ich ihn nicht mehr loswerden können. Stimmt’s, Larry?«
    Zunächst scheint er unfähig, sie offen anzublicken. Er ist bleich wie unter der Guillotine und ein wenig böse: sein finsteres Lubjanka-Gesicht. Seinem Atem nach zu urteilen, ist er noch betrunken, wahrscheinlich hat er mit den Uni-Hausmeistern die ganze Nacht durchgesoffen. Anzusehen ist ihm aber wie üblich nichts davon. Er sieht aus wie ein eifriger empfindsamer Duellant, der allzu jung sterben soll. Er steht vor ihr, legt prüfend den Kopf zurück und mustert sie. Er fährt sich mit den Knöcheln übers Kinn. Er zeigt sein durchtriebenes, selbstkritisches Lächeln. Auch sie lächelt durchtrieben, ihre obere Gesichtshälfte wird vom Schatten des Sonnenhuts in geheimnisvolles Dunkel getaucht, eine Tatsache, deren sie sich vollkommen bewußt ist.
    »Mensch, also wirklich!« erklärt er zufrieden. »Was für eine Schönheit. Wer ist das, Timbo? Wo zum Teufel hast du die gefunden?«
    »Unter einem Giftpilz«, antworte ich stolz, was, so unbefriedigend es sein mag, bei Larry wesentlich besser ankommt als »an einem verregneten Freitagabend im Wartezimmer eines Physiotherapeuten in Hampstead«.
    Dann begegnet sich beider Lächeln und leuchtet einander an – ihres leicht spöttisch, und seins, vielleicht wegen ihrer Schönheit, vorübergehend nicht ganz so seiner Wirkung bewußt wie sonst. Auf jeden Fall aber ein beiderseitiges Lächeln des Erkennens, auch wenn noch nicht klar ist, was da erkannt wird.
    Aber mir ist es klar.
    Ich bin der Makler, der Mittelsmann der beiden. Über zwanzig Jahre lang habe ich Larrys Suchen geleitet. Jetzt leite ich Emmas Suchen, beschütze sie vor dem, was sie in der Vergangenheit allzu häufig gefunden hat und was sie, wie sie beteuert, nicht noch einmal finden will. Doch als ich meine beiden Schicksalssucher einander in Augenschein nehmen sehe, wird mir klar, daß ich nur aus dem Ring zu gehen brauche, um vergessen zu werden.
    »Sie weiß nichts«, erkläre ich Larry in festem Ton, sobald ich ihn in der Küche allein sprechen kann. »Ich bin ein pensionierter Spezialist aus dem Finanzministerium. Du bist du. Und das ist alles . Mehr ist nicht. Klar?«
    »Immer noch die alten Lügen, was?«
    »Bei dir etwa nicht?«
    »Doch, sicher. Andauernd. Und was ist mit ihr?«
    »Wie meinst du das?«
    »Was macht sie hier? Sie ist halb so alt wie du.«
    »Sie ist auch halb so alt wie du. Minus drei Jahre. Sie ist meine Freundin. Was glaubst du denn, was sie hier macht?«
    Er hat den Kopf in den Kühlschrank gesteckt und sucht nach Käse. Larry hat immer Hunger. Manchmal frage ich mich, was er in all den Jahren gegessen haben würde, wäre er nicht mein Joe gewesen. Ein Cheddar aus der Gegend weckt sein Interesse.
    »Wo hast du das verdammte Brot versteckt? Anschließend ein Bier, falls du nichts dagegen hast. Erst ein Bier, dann was Alkoholisches.«
    Er hat sie gewittert , denke ich, während ich das verdammte Brot für ihn suche. Seine Stimmen haben ihm zugeflüstert , daß ich mit einem Mädchen zusammenlebe , und jetzt ist er gekommen , um es sich anzusehen .
    »He, neulich hab ich Diana gesehen«, sagt er mit jenem bewußt unbekümmerten Tonfall, den er immer anschlägt, wenn er von meiner ehemaligen Frau redet. »Sieht zehn Jahre jünger aus. Läßt dich grüßen.«
    »Mal was Neues«, sage ich.
    »Na ja, viel Worte hat sie nicht drum gemacht. Bloß indirekt , sie liebt dich ja noch immer. Jedesmal hat sie diesen schmelzenden Blick in den Augen, wenn dein Name fällt.«
    Diana ist schon immer seine letzte Geheimwaffe gegen mich gewesen. Als ich noch mit ihr verheiratet war, hat er sie stets nur mit beißendem Spott behandelt, doch nun trägt er eine brüderliche Verbundenheit mit ihr zur Schau, die er jedesmal dann aufs Tapet bringt, wenn er mir eins auswischen will.
    »Von ihm gehört? « protestiert Emma an diesem Abend, empört darüber, daß ich überhaupt gefragt habe. »Darling, ich habe seit frühester Kindheit zu Lawrence Pettifers Füßen gesessen. Na ja, nicht buchstäblich . Aber metaphorisch

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