Unser Spiel
gesprochen ist er ein Gott .«
Und wie so oft erfahre ich jetzt etwas Neues über sie. Vor einigen Jahren – es ist Emmas Natur, fast würde ich sagen, ihr Handwerk, sich nicht genau auszudrücken – gelangte sie zu der Einsicht, daß Musik allein sie nicht ausfülle und sie sich weiterbilden müsse. Anstatt also beim Alternativen Musikfestival in Devon mitzumachen – ehrlich, Tim, da geht’s doch heute nur noch um Tai Chi und Kiffen, erklärt sie mit einem geringschätzigen Lächeln, das mich ganz und gar nicht überzeugt –, entschied sie sich spontan für einen Grundkurs in Politik und Philosophie, der in jenem Sommer in Cambridge angeboten wurde: »Und bei den radikalen Sachen, derentwegen ich natürlich hingegangen bin, bei praktisch allem war Pettifer einfach obligatorisch … « Sie wedelt zuviel mit den Händen herum. »Also sein Aufsatz über ›Künstler im Aufstand‹ u nd ›Die materialistische Wüste‹ … « Sie scheint plötzlich nicht weiterzuwissen, und da sie die Titel zwar richtig zitiert, aber nicht näher darauf eingeht, frage ich mich ziemlich bösartig, ob sie die wirklich gelesen oder nur davon gehört hat.
Worauf das Thema Larry in stillschweigender Übereinkunft zu den Akten gelegt wird. Am nächsten Sonntag säubern wir den Eingeschnappten Hunnen und machen ihn klar zum Gefecht. Dabei horche ich die ganze Zeit nach Larrys abscheulichem Wagen, er kommt aber nicht. Sonntag darauf jedoch, pünktlich wie das Schicksal und wieder unangemeldet, taucht Larry auf, diesmal mit einem französischen Bauernblouson aufgetakelt, seinem zerfledderten Winchester-Strohhut und einem getüpfelten roten Halstuch, dessen Zipfel lose herumflattern.
»In Ordnung, prima. Sehr komisch«, warne ich ihn, längst nicht so freundlich wie sonst. »Aber wenn du uns bei der Lese helfen willst, dann tu’s auch richtig.«
Und natürlich hilft er bis zum Umfallen, typisch Larry. Braucht man ihn, kommt er nicht. Braucht man ihn nicht, verhext er einem die Freundin. Als drei Wochen später die Gärung abgeschlossen ist, machen wir den ersten Abstich und bereiten die Grobfilterung vor. Inzwischen decke ich den Tisch automatisch für drei Personen: für Cranmer, für Emma und für den metaphorischen Gott, zu dessen Füßen sie seit frühester Kindheit gesessen hat.
* **
Ich lief runter ins Arbeitszimmer und holte mein Adreßbuch hervor. Merriman war nicht verzeichnet, aber ich suche auch gar nicht Merriman. Ich suche Mary, das ist mein homophober Codename für ihn. Emma, da war ich mir sicher, würde es nicht im Traum einfallen, in meinem Adreßbuch zu schnüffeln. Hätte sie es aber doch getan, hätte sie anstelle von Merriman eine Frau gefunden, die in Chiswick wohnte und ein Büro in London hatte. Larry hingegen las grundsätzlich und bedenkenlos meine Privatpost und die anderer Leute. Und wer wollte ihm daraus einen Vorwurf machen? Wer einen Mann ermutigt, sich zu verstellen und Herzen zu brechen, hat es sich selber zuzuschreiben, wenn der dann plötzlich umschwenkt und einem die Geheimnisse und auch sonst noch alles mögliche klaut.
»Hallo?« Eine Frauenstimme.
»Ist dort Anschluß sechs sechs neun sechs?« fragte ich. »Hier spricht Arthur.«
Die vier Zahlen, die ich genannt hatte, waren nicht ihre Telefonnummer, sondern meine persönliche Kennummer. Es hatte Zeiten gegeben, wo mich solche Tricks beeindruckten.
»Ja, Arthur, wen möchten Sie sprechen?« fragte sie leicht überheblich und gedehnt.
Mir fiel ein, daß meine Kennummer mich als ehemaligen und nicht als derzeitigen Mitarbeiter ausgewiesen hatte. Daher ihr renitenter Tonfall, denn Ehemalige bedeuten in aller Regel Ärger. Ich stellte mir eine große, über Dreißigjährige mit Pferdegesicht und einem Namen wie Sheena vor. Es hatte Zeiten gegeben, da hatte ich solche Sheenas für das Rückgrat Englands gehalten.
»Ich möchte bitte mit Sidney sprechen«, antwortete ich. »Und zwar am liebsten gestern, falls das möglich ist.«
Sidney stand für Jake Merriman. Arthur für Tim Cranmer alias Timbo. Niemand, der jemand ist, benutzt den eigenen Namen. Und was hatte er uns genützt, dieser ganze Spionage-Hokuspokus? Was hatte es uns geschadet, dieses ewige Verhüllen und Verstecken unserer Identitäten? Quietschen. Pfeifen. Mysteriöse Resonanzen, während Computer mit Computer spricht und dann mit Gott. Geräusch, mit dem Wasser aus der Wanne läuft.
»Sidney ruft in zwei Minuten zurück, Arthur. Warten Sie, wo Sie sind.«
Und mit einem Klicken
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