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Unser Spiel

Unser Spiel

Titel: Unser Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carre
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erwähnen.
    »Reden wir hier von Mitte Juli, von Anfang oder eher Ende Juli?«
    »Mitte. Muß es gewesen sein.« Ich stand auf, vielleicht um zu zeigen, wie entspannt ich war, und studierte demonstrativ den Kalender eines Flaschenherstellers, den Emma neben das Telefon gehängt hatte. »Da haben wir’s ja. Tante Madeline, zwölfter bis neunzehnter. Ich hatte meine alte Tante zu Besuch. An diesem Wochenende muß Larry vorbeigekommen sein. Er hat ihr die Ohren vollgequatscht.«
    Ich hatte Tante Madeline seit zwanzig Jahren nicht mehr gesehen. Aber falls sie vorhatten, Zeugen aufzusuchen, war es mir lieber, sie suchten Tante Madeline als Emma.
    »Nun sagt man aber, Mr. Cranmer, Sir«, erklärte Bryant durchtrieben, »Dr. Pettifer habe ausgiebig Gebrauch von seinem Telefon gemacht.«
    Ich lachte belustigt auf. Jetzt betraten wir ein anderes dunkles Gebiet, und ich brauchte alle Selbstsicherheit, die ich aufbringen konnte. »Das sagt man bestimmt. Und nicht ohne Grund.«
    »Ihnen ist etwas eingefallen, hab ich recht, Sir?«
    »Na ja, du liebe Zeit, ja, das wird es sein. Wenn Larry ein Telefon hatte, konnte er einem das Leben schier zur Hölle machen. Anrufe zu jeder Tages- und Nachtzeit. Nicht daß er jemand Bestimmten angerufen hat, sondern jede Nummer in seinem Notizbuch.«
    Ich lachte noch einmal, und Bryant lachte mit, während der Puritaner Luck weiter mürrisch in die Flammen starrte.
    »Solche Typen kennt jeder von uns, Sir«, sagte Bryant. »Kalamitätenkrämer heißen die bei mir, nicht böse gemeint. Haben irgendein Problem – Streit mit Freund oder Freundin –, sollen sie dieses unglaubliche Haus kaufen, das sie vorhin oben vom Bus aus gesehen haben? – und sind erst glücklich, wenn sie einen da mit reingezogen haben. Wenn ich ehrlich sein soll, bei mir zu Hause ist es meine Frau, die solche Leute anzieht. Ich selbst habe dazu nicht die Geduld. Wann ist Dr. Pettifer das letztemal mit so was angekommen, Sir?«
    »Mit was?«
    »Mit so einem Anruf, Sir. Oder Notruf, wie ich zu sagen pflege.«
    »Ach, das ist lange her.«
    »Monate?«
    Wieder tat ich so, als kramte ich in meinem Gedächtnis. Für Verhöre gibt es zwei goldene Regeln, und ich hatte bereits gegen beide verstoßen. Die erste lautet: niemals freiwillig unwesentliche Einzelheiten ausplaudern. Die zweite lautet: niemals eine direkte Lüge auftischen, es sei denn, man kann sie bis zum bitteren Ende durchhalten.
    »Wenn Sie uns vielleicht den Grund des Anrufs schildern würden, Sir? Das könnte uns bei der Datierung helfen«, schlug er vor, als ob es sich um ein Spiel im Familienkreis handelte.
    Jetzt saß ich in der Klemme. In meinem früheren Leben wurde allgemein davon ausgegangen, daß die Polizei, im Gegensatz zu uns, nur selten Wanzen verlegte und Telefone anzapfte. Bei ihren zu Unrecht so genannten diskreten Nachforschungen beschränkte sie sich darauf, Nachbarn, Ladeninhaber und Bankdirektoren zu belästigen, verzichtete aber auf die uns vorbehaltenen Mittel elektronischer Überwachung. Jedenfalls glaubten wir das. Ich beschloß, mich in die ferne Vergangenheit zu retten.
    »Wenn ich mich recht erinnere, war es die Zeit, als Larry sich gewissermaßen öffentlich von radikalen Positionen des Sozialismus distanzierte und seine Freunde daran teilhaben lassen wollte«, sagte ich.
    Luck, der noch immer vor dem Kamin saß, legte sich eine lange Hand an die Wange, als hätte er dort Nervenschmerzen. »Reden wir hier vom russischen Sozialismus?« fragte er mit seiner mißmutigen Stimme.
    »Von welchem Sie wollen. Er hat sich ent-radikalisiert – so seine eigene Formulierung –, und er wollte, daß seine Freunde das miterlebten.«
    »Wann genau soll das gewesen sein, Mr. Cranmer, Sir?« fragte Bryant von der andern Seite.
    »Vor etwa zwei Jahren. Nein, mehr. Zu der Zeit, als er seine Akte in Ordnung brachte, um sich für die Stelle an der Universität zu bewerben.«
    »November 92«, sagte Luck.
    »Wie bitte?«
    »Falls Sie von seiner öffentlichen Abkehr vom radikalen Sozialismus reden, geht es doch wohl um seinen Artikel ›Tod eines Experiments‹ in der Sozialistischen Rundschau vom November 92. Der Doktor begründet da seine Entscheidung mit einer Analyse dessen, was er als heimliches Kontinuum des russischen Expansionismus bezeichnet, der unter zaristischer, kommunistischer oder, wie heute, föderalistischer Flagge stets gleichgeblieben sei. Dabei verweist er auch auf die vom Westen neuentdeckte moralisch orthodoxe Haltung, die er mit der

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