Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Unser Spiel

Unser Spiel

Titel: Unser Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carre
Vom Netzwerk:
in Emmas Schlafzimmer, taghell erleuchtet vom Halogenlicht der Straßenlaterne, die durchs Fenster strahlte, als ob die fadenscheinigen Vorhänge gar nicht vorhanden wären. Ich habe ihr alles geboten, dachte ich, als mein Blick über die nackten Dielenbretter und das gesprungene Waschbecken wanderte, über die welken Blumen im Kleistertopf, die altersschwache Leselampe, die braungeblümte, in Fetzen von der Wand hängende Tapete: Und sie hat nichts davon gewollt. Hiervor habe ich sie gerettet. Und hierhin hat sie es wieder zurückgezogen.
    Auf dem Boden ein Futon, hergerichtet, wie sie immer unser Bett hergerichtet hatte, wenn wir miteinander schlafen wollten: seitlich zum Kamin, Berge von Kopfkissen, ein weißes Federbett. Auf dem Plumeau das schlichte Nachthemd von Marks & Spencer, das sie mitgebracht hatte, als sie bei mir eingezogen war, die langen Ärmel wie zur Umarmung ausgebreitet. Ich sah sie nackt auf dem Bauch liegen, das Kinn auf die Hände gestützt, dann, als sie mich hereinkommen hört, dreht sie den Kopf zu mir herum. Der Schein des Kaminfeuers wirft fingernde Schatten auf ihre Flanken. Das aufgelöste Haar fällt ihr wie schwarze Flammen über die Schultern.
    Zwei Bücher, eins auf seiner Seite, eins auf ihrer. Für Larry ein roter Leinenband, vermutlich 19. Jahrhundert, von einem gewissen W. E. D. Allen, mit dem merkwürdigen Titel Béled-es-Siba . Ich schlug irgendwo in der Mitte auf und geriet an einen Beitrag zum Gedenken an den Dichter Aubrey Herbert, worin die Worte es fehlte ihm an der Ranküne des Genies unterstrichen waren. Ich erinnerte mich dunkel, daß Herbert für die Rettung mußte sie Albaniens vor den selbsternannten Befreiern des Balkans gekämpft hatte und daß er einer von Larrys Helden war. Für Emma Fitzroy Macleans Der Kaukasus , Untertitel Das Ende der Welt .
    Ein Poster, Sepiadruck. Diesmal nicht Josef Stalin, überhaupt niemand, den ich kannte. Ein bärtiger moderner Prophet mit starker Kinnpartie und dunklen Augen, im traditionellen Gewand der kaukasischen Bergvölker: Pelzmütze, Fellweste mit Patronenschlaufen. Bei genauerem Hinsehen entdeckte ich in der linken unteren Ecke in deutlichen kyrillischen Buchstaben den Namen Bashir Haji und entzifferte mit einigen Schwierigkeiten die Worte »Für meinen Freund Mischa, den großen Krieger«. Seltsame Trophäe für ein Liebesnest. Ich riß das Bild von der Wand und legte es auf das Bett neben Emmas Nachthemd. Kleider, dachte ich: Ich brauche mehr Kleider. Niemand, der überstürzt abreist, nimmt alle seine Kleider mit. Vor einer Nische neben dem Kamin hing ein Vorhang, der mich an Onkel Bobs Verdunkelungsvorhang vor dem Alkoven in meinem Versteck erinnerte. Ich zog ihn beiseite und fuhr entsetzt zurück.
    Ich bin in Priddy und kämpfe mit ihm. Ich packe ihn am Kragen seines grünen österreichischen Regenmantels, den er seine Wetterhaut nennt. Ein langes, flatterndes, olivgrünes Ding, das sich anfühlt wie Seide. So weich, daß es mich anwidert. Als ich ihn zu mir hinzerre, höre ich etwas reißen und muß lachen. Als wir kämpfen, male ich mir aus, wie das Ding in Stücke geht. Als ich ihn schlammbedeckt und mit den Füßen voran zum Teich zerre, sehe ich die Fetzen im Mondlicht hinter ihm herschleifen wie das Totenhemd eines Bettlers.
    Und ich sah das Ding auch jetzt: Chemisch gereinigt und wieder tragbar, hing es an einem Drahtbügel, der Zettel von der Reinigung noch am Innenfutter. Ich zählte die Knöpfe nach. Alle da. Hatte ich die Knöpfe abgerissen? Ich konnte mich nicht daran erinnern. Der Riß, wo war der Riß? Das Reißen von Stoff hatte ich deutlich gehört. Ich fand aber nichts, keinen einzigen Einriß, keine Stopfstelle, weder im Futter noch am Saum, noch um die Knopflöcher. Und auch nicht am Kragen, wo ich ihn gepackt hatte.
    Ich untersuchte den Gürtel. Er hatte ihn nur geknotet getragen. Die Schnalle war vollkommen in Ordnung, falls man den Regenmantel mit einem Gürtel tragen wollte, aber Larry war die Schnalle nicht gut genug. Er mußte seinen Gürtel knoten wie ein Gigolo, und eben deshalb hatte es mir solchen Spaß gemacht, den Gürtel in meine behandschuhten Fäuste zu nehmen und Larry daran über den Boden zu schleifen und zu sehen, wie sein Kopf über die Unebenheiten kollerte und sein Grinsen im Mondlicht an- und ausging.
    Das ist ein anderer Mantel, dachte ich. Und dann: Wann hat Larry, von Frauen abgesehen, jemals etwas doppelt gehabt?
    * **
    Unter der Küchenspüle hatte ich eine Rolle schwarzer

Weitere Kostenlose Bücher