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Unser Spiel

Unser Spiel

Titel: Unser Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carre
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bin’s!« – weniger dem Sein als dem Schein zuliebe, denn auf dem Bürgersteig kamen Leute an mir vorbei. Ich rüttelte an dem Schiebefenster, versuchte es nach oben oder unten zu drücken, aber es war zu. Ich trug Lederhandschuhe, und die erinnerten mich an Priddy. Noch immer am Erkerfenster, legte ich das Gesicht an die Scheibe und sah im Licht der Straßenlaterne angestrengt hinein. Kein Hausflur. Die Vordertür führte direkt ins Wohnzimmer. Ich erkannte den geisterhaften Umriß einer Reiseschreibmaschine auf einem Schreibtisch und links davon auf dem Boden einen Berg Briefe, hauptsächlich Rechnungen und Drucksachen: Larry brachte es fertig, über so etwas wochenlang hinwegzusteigen. Ich sah noch einmal hin und erkannte jetzt, was ich beim erstenmal nur flüchtig bemerkt hatte: Vor der Schreibmaschine stand Emmas Klavierhocker. Inzwischen mußte ich annehmen, daß irgendwelche Nachbarn auf mich aufmerksam geworden waren, und tat daher, was rechtmäßige Besucher in solchen Fällen zu tun pflegen: Ich zückte mein Notizbuch, schrieb etwas, riß das Blatt heraus und schob es in den Briefkasten. Dann ging ich die Straße hinunter, um ihrem Gedächtnis eine Ruhepause zu gönnen.
    Ich machte einen raschen Spaziergang um den Block, immer mitten auf der Straße, weil mir die Schatten nicht gefielen, und gelangte schließlich von der anderen Seite wieder in die Straße. Ich kam ein zweitesmal an dem Nebeneingang vorbei, sah aber nicht nach dem Kreidezeichen, sondern in die Richtung, die der untere Balken des L anzeigte. L wie Larry. L wie Larrys Tricks aus der Zeit, als er und Tschetschejew ihr Geheimmaterial mit Hilfe von Chiffren und toten Briefkästen austauschten. In Parks. Auf Pub-Toiletten. Auf Parkplätzen. In Kew Gardens. L wie »Ich habe etwas in den toten Briefkasten gesteckt«, Unterschrift Larry. Das L, in ein t verwandelt, wie »Ich habe ihn geleert«, Unterschrift TT. Hin und her, nicht einmal, sondern mehr als fünfzigmal in den vier Jahren ihrer Zusammenarbeit: Mikrofilm für dich; Geld und Anweisungen für mich; Geld und Anweisungen für dich; Mikrofilm für mich.
    Der L-Balken zeigte schräg nach unten und war kräftig gezeichnet. Wie ein Pfeil. Er zeigte auf meinen rechten Fuß, und der wiederum zeigte mit der Spitze auf den unteren Türrand, unter dem ein flachgedrückter Zigarettenstummel steckte; und ich nehme an, ein sehr neugieriger Mensch würde sich wohl fragen, wie denn eigentlich ein flachgedrückter Zigarettenstummel derart unter eine Tür geraten sein mochte, falls nicht jemand absichtlich daraufgetreten und ihn dorthin geschoben hatte; derselbe Beobachter hätte vielleicht auch bemerkt, daß der Lichtstrahl von der Straßenlaterne an der Ecke hell auf den unteren Teil der Tür fiel, so daß man sich, war einem die Verbindung zwischen Kreidestrich und Zigarettenstummel erst einmal aufgefallen, nur noch wundern konnte, warum hier nicht Scharen von Leuten standen und dieses Phänomen angafften.
    Ich war jedoch körperlich längst nicht so behende wie Tschetschejew; ich verfügte nicht über jene Fähigkeit, den Oberkörper blitzartig vorzubeugen, die Jack Andover, unseren Chefbeobachter, an walisische Bergarbeiter erinnert hatte. Also machte ich es wie alle ältlichen Spione dieser Welt: Ich ging in die Knie und fummelte demonstrativ an meinen Schnürsenkeln herum, griff mit einer Hand nach dem Zigarettenstummel, bekam die darin versteckte Schnur zu fassen und zog: und wurde belohnt, denn nach einigem Ziehen kam der flache Sicherheitsschlüssel zum Vorschein, der daran befestigt war. Dann, den Schlüssel in der Hand verborgen, stand ich auf und schritt selbstbewußt um die Ecke zur Vordertür.
    »Die sind in Urlaub, Darling«, rief neben mir eine tiefe Stimme.
    Ich fuhr herum und setzte mein ewiges Sabberlächeln auf. In der Haustür nebenan stand, von hinten beleuchtet, eine große blonde Frau, sie trug eine Art weißes Nachthemd und hatte ein Glas mit etwas Starkem in der Hand.
    »Ich weiß«, sagte ich.
    »Er sagt immer Föps zu mir. Eigentlich heiße ich Phoebe. Sie waren schon mal hier, stimmt’s?«
    »Stimmt. Ich hatte den Schlüssel vergessen und mußte ihn mir noch holen. Demnächst vergesse ich noch meinen eigenen Namen. Die beiden hatten einen Urlaub aber auch wirklich nötig, wie?«
    » Er ja«, sagte sie dunkel.
    Mein Hirn lief offenbar auf Hochtouren, denn ich begriff sofort, was sie meinte. »O ja! Der Ärmste!« rief ich. »Aber wie sah er aus – besser? – ist er wieder

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