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Unser Spiel

Unser Spiel

Titel: Unser Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carre
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Plastikmüllbeutel gefunden. Ich riß einen ab und stopfte die ganze Post hinein, alles, Drucksachen und Privatbriefe. Dabei sah ich wieder die von Bajonetten durchbohrten Kinder, und mir fiel Diana ein und sein perfekter Ton. Was, fragte ich mich, war perfekt an den Schreien sterbender Kinder? Auf den Knien vorm Kamin, kratzte ich das verkohlte Papier zusammen und legte es mit großer Sorgfalt in einen zweiten Beutel. Einen dritten und dann einen vierten füllte ich mit Akten und Papieren, die auf dem Schreibtisch herumlagen. Dazu kamen noch ein Esso-Terminkalender, ein angesengtes Kontobuch, das jemand vergeblich zu verbrennen versucht hatte, und ein herausklappbares Adreßbuch aus Bakelit im Stil der vierziger Jahre, das ich weder mit Larry noch mit Emma in Verbindung bringen konnte – ich dachte, es wird ihnen wohl irgendwie zugelaufen sein, bis mir auffiel, daß es ein russisches Erzeugnis war. Ich nahm das Farbband aus der Schreibmaschine, zog den Stecker aus der Dose und stellte die Schreibmaschine für den späteren Abtransport durch den Nebenausgang auf den Küchentisch. Ich mußte sie mitnehmen, um den Schein zu wahren, schließlich hatte ich Phoebe erzählt, ich müsse Sallys Schreibmaschine abholen. Das Farbband kam in den dritten Müllbeutel.
    Ich ging ins Wohnzimmer zurück, um den Anrufbeantworter auszustöpseln, überlegte es mir aber noch einmal, hob das Gerät mitsamt dem Telefon hoch und suchte im Schein der Straßenlaterne die Wahlwiederholungstaste, dann nahm ich den Hörer ab und drückte auf den Knopf. Irgendwo läutete es. Ich hörte eine Männerstimme, sanft, ausländisch und wohlartikuliert wie die von Mr. Dass: »Das Teppichhaus International dankt für Ihren Anruf. Wenn Sie eine Nachricht hinterlassen oder eine Bestellung aufgeben wollen, sprechen Sie bitte nach dem Signalton …« Ich hörte mir das zweimal an, zog den Stecker heraus und stellte das Gerät auf den Küchentisch neben die Schreibmaschine. Dann fiel mein Blick auf einen Bund Autoschlüssel, der an einem Nagel hing. Der Toyota. Ich steckte sie ein, dankbar, daß ich nicht samstag nachts in einer finsteren Nebenstraße über die Zäune würde klettern müssen. Ich rannte nach oben. Es gab keinen zwingenden Grund für diese übermäßige Eile, aber wäre ich nicht gelaufen, hätte ich vielleicht nicht den Mut zum Gehen gefunden.
    Ich stand am Schlafzimmerfenster. Die Cambridge Street war menschenleer. Während ich wartete, daß ich einen klaren Kopf bekam, blickte ich über die Grasfläche hinaus nach den Strömen der Eisenbahngleise. Die Nacht war noch dunkler geworden. Bristol legte sich schlafen. Hier hat Emma gestanden, wenn sie auf ihn wartete, dachte ich. Nackt, wie sie auch auf mich zu warten pflegte, wenn sie beschlossen hatte, mit mir ins Bett zu gehen. Ich stand neben dem Futon. Die Kopfkissen lagen alle auf einer Seite, nur für eine Person. Was mochte sie gedacht haben, wenn sie hier alleine lag? Er ist vorgefahren , sie hinterher , hatte Phoebe gesagt. Und hier hatte sie also gelegen, ganz allein, bevor sie losfuhr. Ich beugte mich vor, um das signierte Poster mit dem Bergbewohner mitzunehmen. Ob nun eingebildet oder wirklich vorhanden, aus dem Bettzeug stieg mir der Geruch ihres Körpers entgegen. Ich faltete das Poster, bis es in meine Tasche paßte. Ich nahm Larrys grünen Regenmantel vom Bügel und legte ihn mir über den Arm. Dann ging ich langsam nach unten in die Küche. Langsam. Ich entriegelte den Seiteneingang und hängte die Sperrkette so ein, daß die Tür offenblieb. Langsam. Es war mir sehr wichtig, nichts zu überstürzen.
    Ich ließ die Tür angelehnt, ging über den Bürgersteig zum Auto, zog die Plane weg und erblickte auf dem Rücksitz Larrys Wildlederstiefel. Mach jetzt bloß kein Drama aus diesen Stiefeln, nahm ich mir vor. Es waren Larrys Stiefel, Larry war am Leben. Was sollte an diesen verdammten Stiefeln schon bemerkenswert sein, maßgefertigt von Lobb in St. James’s und unter Wutgeheul von der Oberen Etage bezahlt, nur weil Larry gefunden hatte, es sei an der Zeit, unsere Liebe zu ihm auf die Probe stellen?
    Sie waren schlammverkrustet, entdeckte ich, so wie man eben irgendwo Schlamm entdeckt: mal mit der Drahtbrüste drangehen, später. Der Haß war wieder in mir aufgeflammt. Ich sehnte mich nach einer Revanche, ich wollte noch einmal nach Priddy und ihn endgültig fertigmachen.
    Ich ging in die Küche zurück, nahm die Schreibmaschine und den Anrufbeantworter und trug sie zum Wagen,

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