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Unser Verhältnis verhält sich verhalten (German Edition)

Unser Verhältnis verhält sich verhalten (German Edition)

Titel: Unser Verhältnis verhält sich verhalten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bente Varlemann
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wäre, denn die besteht in unmittelbarer Umgebung eh nur aus Straßen, Bürogebäuden und dem Puff in der Tiefgarage des Innenhofes. Immer wieder kommt es deshalb vor, dass Männer bei uns klopfen und nach der «Studenten- WG » fragen, woraufhin wir antworten, dass wir die Frage nicht verstehen, weil bei uns auch Leute wohnen, die nicht studieren. Nach einigen peinlichen Schweigeminuten geben sie meist zu, dass sie das «Etablissement» suchen, und wir schicken sie dann für gewöhnlich zu unseren Nachbarn, damit die auch mal ein bisschen Abwechslung an der Haustür haben.
    Doch nicht nur Menschen von außerhalb suchen etwas, in der WG suchen wir auch ständig nach Dingen. Und finden dann welche, die wir gar nicht gesucht haben. So haben wir einmal in einem der Bäder einen Vibrator gefunden. Erst dachten wir, es wäre ein Duschgel mit originellem Design, aber dann hat mein Mitbewohner Giovanni nachgeschaut, und da, wo man das Ding aufschrauben konnte, war nur Platz für Batterien und kein Duschgel. Nach kurzer Zeit war der Vibrator verschwunden, und bis heute weiß keiner, wem der eigentlich gehört hat.
    Manchmal streiten wir. Da ist der zehn Meter lange Flur von Vorteil, weil man sich über diesen hinweg so herrlich laut anbrüllen kann.
    Manchmal verlieben sich auch Mitbewohner ineinander, das ist genauso spannend. Im Gegensatz zu meiner Oma muss ich mir keine
Welt der Frau
kaufen oder
Lindenstraße
gucken, weil der ganze Klatsch und Tratsch in meiner eigenen Wohnung mir vollends genügt. Wer hat was gemacht oder nicht gemacht, wer nervt oder ist toll, hat noch jemand Taschentücher, das Klopapier ist alle. Nach vielen Gründungen und Wieder-Auflösen von Kochgruppen, Putzgruppen, Partygruppen und Gesellschaftsspielegruppen haben wir derzeit eine neue Gruppe ins Leben gerufen: die Gymnastikgruppe «Katzenkerle», die dreimal in der Woche gemeinsam Handstand übt. Die gegnerische Gang hat sich schon gegründet, es sind die «Biber-Bitches», die allesamt den Lotussitz beherrschen. Bis auf Thomas, der ist nur so in der Gruppe, aber der hat auch beim Putzdienst «nur so» die Aufgabe, den Flur zu staubsaugen. Dafür nimmt er seinen WG -Einkaufsdienst umso ernster: Ich habe noch nie jemanden getroffen, der mit so viel Hingabe und Gewissenhaftigkeit Dosentomaten und Gewürze kauft.
    Wir sind sozial, irgendwie sauber, räumen auf, haben Badezimmer und Spaß, feiern und finden Dinge wieder. Sollte sich also jemand fragen, ob das geht, so zu neunt, kann ich nur sagen: «Ja, verdammte Scheiße, ja!»

Oh, Kühlschrank!
    Oh, Kühlschrank
    Du bist immer leer
    Oh, Kühlschrank
    Eigentlich brauch ich dich nicht mehr
    Oh, Kühlschrank
    Ich muss dich bestücken
    Oh, Kühlschrank
    Ich muss dich mit Essen beglücken
    Oh, Kühlschrank
    Hätt’st du doch vier Beine und könntest draufstehen
    Oh, Kühlschrank, oh, Kühlschrank
    Dann könntest du allein einkaufen gehen
    Ich stehe am Samstagabend an der Kasse bei Aldi. Die Schlange ist viel zu lang, ich balanciere den Einkauf auf meinen Armen, es ist warm, es ist anstrengend. Vor mir steht ein gutaussehender Mann. Er dreht sich zu mir um und lächelt mich an. Ich lächle schüchtern zurück. Ach, was für ein Mann! Ich wünschte, die würden so einen mal in ihrem Prospekt als
Angebot der Woche
anpreisen. Dann würd ich hingehen und nach diesem Käfig suchen, in den sie immer die Elektrogeräte stecken, die besonders wertvoll sind. Da drin würde dann dieser Mann warten, und er wäre wie eine Packung Gummibärchen, ohne Fett, und wie vierlagiges Klopapier, ganz weich, und wie Gourmet-Käse, perfekt geschnitten und so vollkommen.
    Die Schlange schlängelt sich weiter. Ich kann meinen Einkauf auf das Band fallen lassen, ich atme dabei laut aus, der Mann dreht sich wieder um und schaut mich an. Ach, was für Augen! Das sind so Augen, mit denen man einschlafen und aufwachen möchte. Und dann küsste der Mann mich wach, und er hätte schon Frühstück gemacht und überraschte mich damit. Wir würden im Bett essen und uns über Gott und die Welt unterhalten und über Aldi und wie froh wir beide seien, Samstagabend noch einkaufen gegangen zu sein. Und darüber, dass lange Öffnungszeiten auch ihre guten Seiten haben, weil sie unorganisierten Menschen Essen und Liebe bereithalten.
    Ja, und nach ein paar Jahren und etlichen Einkäufen bei Aldi würden wir heiraten, und dann würde Aldi so eine Geschichte in seinem Prospekt über uns abdrucken. Wir wären das Aldi-Paar! Und viele einsame

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