Unser Verhältnis verhält sich verhalten (German Edition)
weicher, und ich kralle meine Hand in seine Schulter. Und die ist immer noch schwitzig, und meine Hand ist es jetzt auch. Und wir bewegen uns und wir atmen. Und er riecht so gut, und mir ist heiß, und ich finde Dirk auch heiß und aufregend und attraktiv. Und wir bewegen uns hin und her und auf und ab. Und hin und her und auf und ab. Hin und her und auf und ab. Und dann und dann und dann!
Und dann krieg ich diese Spinnweben nicht aus meinen Gedanken und habe das Gefühl, dass ich ein Wattebausch mit Schweiß und Geruch und Haut bin, der Angst hat, da könnte jetzt jeden Moment eine riesige Spinne aus diesem großen Spinnennetz hervorkriechen und auf mich fallen. Sie könnte auf mir rumklettern mit ihren langen, haarigen Beinen und ihre Eier auf mir ablegen, weil das bestimmt eine weibliche trächtige Spinne wäre, und dann würden die Larven schlüpfen und unter meine Haut kriechen und …
Dirk haucht mir ins Ohr, ob denn alles in Ordnung sei. Ich lüge, hauche zurück: «Ja, warum denn nicht?» Und ich zwinge mich, mich wieder wie ein Wattebausch zu fühlen. Ich konzentriere mich in meinem Kopf auf das Wort Wattebausch. Wattebausch, Wattebausch, Wattebausch – aber das bringt nichts, denn dann muss ich an Zehennägel-Lackieren und Abschminken denken, und das hat mal rein gar nichts mit Sex zu tun. Also denke ich wieder: Sex, Sex, Sex. Und dann atme ich ein bisschen lauter, und ich fange an, ein bisschen zu schwitzen, und es klappt ganz gut, das da an der Decke zu vergessen. Und ich bin weich, und Dirk ist weich, und wir bewegen uns rhythmisch, und ich habe seinen Geruch in der Nase, und ich höre ihn atmen. Und dann höre ich ihm beim Atmen zu, ganz konzentriert, weil ich Angst habe, an die Spinne zu denken, und genau
da
höre ich einen Fernseher im Nebenzimmer. Und ich frage mich, was da wohl gerade läuft. Ist das Fußball oder MTV ? Also, wenn es Fußball ist, dann muss das Spiel irgendwie langweilig sein, weil man eigentlich nur eine Stimme und irgendwelche Geräusche hört, da schießt gerade niemand ein Tor.
Wenn es MTV ist, dann ist das Lied bestimmt nicht so der Hit, wahrscheinlich ist es sehr romantisch und leise, man hört es ja kaum.
Dirk flüstert mir was ins Ohr, ich verstehe ABBA und sage: «Ja, ABBA , kann sein, ich kann das gerade so schlecht hören.» Und Dirk sagt: « ABBA , wie kommst du denn jetzt auf ABBA ?» Und ich hauche zurück, dass er das doch gerade gesagt habe, und er sagt, er habe «Aha» gesagt, und dann sage ich: «Ach, ist doch jetzt auch egal!»
Und ich fühle mich gerade wieder wie ein Wattebausch, nur dass der jetzt vollgesaugt ist mit Wasser und schwer und träge irgendwo rumliegt, und ich muss die ganze Zeit an diese Spinne denken und was der Nachbar da im Fernsehen schaut. Und dann denke ich: Ja, Sex ist manchmal schön, aber gerade jetzt im Moment nicht so wirklich.
Und dann fange ich an, darüber nachzudenken, ob Dirk wohl auch gerade an irgendwelche Dinge denken muss. Aber selbst wenn, wäre ihm das wohl egal, denn er liegt immer noch auf mir drauf und schnauft. Und ich überlege, wie ich das hier schnellstmöglich beenden könnte, und denke daran, dass ich morgen früh in die Uni muss und auch mal wieder Wäsche waschen und einkaufen gehen müsste, und eigentlich könnte ich auch mal wieder zum Friseur … – und dann bemerke ich, dass ich schon wieder abschweife. Also sage ich zu Dirk, dass ich schlafen muss, weil mir gerade nicht so gut sei. Und er guckt mich an und fragt, ob ich das nicht schon vorhin gemerkt habe. Und ich sage: «Nein!»
Dann schiebe ich ihn von mir runter, drehe mich um und schlafe ein. Und ich träume davon, ein riesiger Wattebausch zu sein, der unter der Zimmerdecke hängt und eine Horde trächtiger Spinnen beherbergt. Mitten im Zimmer steht ein Fernseher, ein riesengroßer Fernseher, und da läuft die ganze Zeit MTV , und sie spielen ABBA mit «Dancing Queen» in Endlosschleife.
Ein
Ein Text, ein Text, ein Text. Muss jetzt her. Muss jetzt geschrieben werden. Ein Text, ein Text, ein Text. Dieses Gedankenmantra wabert durch mein Gehirn. Heute Abend ist Lesebühne, und ich brauche noch einen Text.
Es ist ja nicht so, als würde ich nie etwas aufschreiben, das tue ich. Aber es ist so, dass sich vieles nach Tagebuch anhört, dass vieles unstrukturiert daherkommt, weil ich wütend oder traurig war, als ich es aufschrieb. Manchmal schreibe ich auch nachts um vier noch etwas in ein Word-Dokument und kann am nächsten Tag nicht glauben, dass
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