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Unser Verhältnis verhält sich verhalten (German Edition)

Unser Verhältnis verhält sich verhalten (German Edition)

Titel: Unser Verhältnis verhält sich verhalten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bente Varlemann
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Zimmer wieder zu verlassen, blieben beide, und der Vater fragte Rocco nach seinen Wünschen für das Mittagessen. Der Hund, Schnuffel, lief zu meinem Mitbewohner, der zu dieser Zeit immer noch obenauf und in seiner Freundin steckte, und leckte ihn freudig am Arsch.
    Diese Geschichte ist mehr, als ich erwartet habe. So etwas ist mir noch nie passiert, denn wäre es mir passiert, dann hätte ich meine eigene Geschichte daraus gemacht. Und so komme ich dazu, auch Texte zu schreiben, in denen ich nur die Rahmenhandlung bin. Und die dann vielleicht doch nur witzig sind, wenn man selber in der WG am Tisch gesessen hat und schnell noch etwas schreiben musste. Ich schaue mir die Seiten an und entscheide, dass ich jetzt einen Text habe. Die einfachste Lösung: einfach das aufschreiben, was das eigentliche Schreiben verhindert. Ist wie mit allem anderen: einfach das machen, was das eigentliche Machen verhindert.
    Einfach mal ausrasten, da, wo das Einrasten gerade verhindert wird.

Urlaub
    Es regnet. Ich sitze im Zelt, friere und langweile mich. Dieses Jahr sind Dirk und ich im Sommerurlaub an die Ostsee gefahren. Eigentlich wollte ich nach Spanien, aber Dirk hat gesagt: «Zu Hause ist es doch auch schön!» Ja, stimmt. Aber nicht im Regen, im Zelt an der Ostsee! Seit gestern sind wir hier, natürlich mit dem Zug, weil Autofahren ja schlecht für das Ozonloch ist. Als ich versucht habe, zu erklären, dass das Scheißloch aber jetzt doch verdammt weit weg ist von zu Hause bis ans Meer, war ihm das egal.
    Vom Bahnhof aus mussten wir dann auch noch zum Campingplatz laufen, weil Dirk gemeint hat, dass Taxifahrer immer gescheiterte Psychologiestudenten seien, die einen in komplexe Gespräche verwickeln würden und einen dann als Ortsunkundigen übers Ohr hauen. Außerdem würde das Gehen einen auch wieder «fit» machen nach der langen, anstrengenden Zugfahrt.
    Spätestens da hätte ich den nächsten Zug zurück gen Hamburg nehmen sollen. Hab ich aber nicht. «Fehler!», singt es jetzt in meinem Kopf. «Ganz großer Fehler, aber bestimmt wird alles noch richtig super hier.» Wann alles tatsächlich wieder super wird, singt die Stimme nicht.
    Dafür erklingt eine lustige Melodie aus den Campingplatzlautsprechern. Eine Frauen- und eine Männerstimme singen: «Herzlich willkommen im Regenbogen-Camp. Regenbogen-Camp. Regenbogen-Camp. Jeder Tag im Regenbogen-Camp ist ein guter Tag. Bitte besuchen Sie auch unseren Kiosk, da gibt es heute leckeres Gulasch für nur einen Euro fünfzig. Ein Euro fünfzig, jeder Tag hier ist ein guter Tag.» Der Kinderchor, der daraufhin einsetzt, wiederholt noch einmal alles. Es ist wie bei Scientology. Brainwashing at its best. Denn sofort bekomme ich Hunger. Auf Gulasch. Für eins fuffzig. Am Regenbogen-Camp-Kiosk. Ich sage Dirk, er solle mir als Entschädigung für Fahrt und Regen ein Gulasch kaufen gehen. Er antwortet, dass er lieber selber koche. Und dass es kein Gulasch geben werde, ich mich aber einfach überraschen lassen solle.
    Ich möchte mich nicht mit ihm streiten, bleibe aber aus Protest im Zelt sitzen, während er rausmuss. Er sitzt draußen vor dem Zelt, ich hier drinnen. Durch die traurig vor sich hin wehende Eingangsreißverschlussplastiktür sehe ich, er sitzt unter einem Regenschirm. Der Gaskocher ist aus. Dirk braucht ungefähr eine Schachtel Streichhölzer und anderthalb Stunden, bis sich eine kleine Flamme auf dem Gaskocher hält. Obendrauf eine Dose Ravioli. Gemüseravioli, nicht mal Fleisch kriegt man hier, nur so ’n Öko-Zeug, davon kriegt man Luft im Bauch, die dann auch irgendwann rauswill, und das ist schlecht, wenn man zu zweit in einem drei Quadratmeter großen Zelt hockt und schläft.
    Irgendwann hat es aufgehört zu regnen, die Dose ist warm, das Essen immer noch kalt, aber ich habe Hunger. «Bitte sehr, Schatz», sagt Dirk und reicht mir die Dose. Ich kann es nicht leiden, wenn er mich Schatz nennt, und ich kann es nicht leiden, wenn er, statt zu kochen, Dosen erwärmt. «Und womit soll ich essen?», frage ich. «Mit den Händen? Oder soll ich gleich die Dose auf’n Boden stellen und sie auslecken?» Dirk gibt kleinlaut zu, dass er Teller und Besteck vergessen hat.
    Ich hätte mir das Gulasch einfach selbst holen sollen, denke ich. Dann setze ich die Dose an und trinkwürge dieses Zeug herunter, dazu gibt es Bier, und das ist eigentlich das Beste am ganzen Essen. Danach gehe ich kurz pinkeln, auf dem Klo ist das Licht ausgefallen, immerhin sieht man auf diese Art nicht

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