Unser Verhältnis verhält sich verhalten (German Edition)
lag es auch an Mecklenburg-Vorpommern. Sicher ist, dass er sehr enttäuscht, verletzt und traurig war, denn er rief mich noch ein paar Mal an, um mich dazu zu bringen, es nochmals zu versuchen.
Nach einigen Monaten hatte ich mich wieder ans Singleleben gewöhnt und knutschte hier und da rum, ging feiern und hatte meinen Exfreund so gut wie vergessen. Bis Doro mich pseudofragte: «Es macht dir doch nichts aus, dass ich und dein Exfreund jetzt schon zwei Wochen zusammen sind, oder?!» Was soll man da antworten? Nein, es ist voll okay, dass ihr jetzt miteinander rummacht, dass du die Früchte meiner Saat erntest, dass ich dir alles erzählt habe, denn ich stehe dadrüber. Soll man das sagen? Oder: Ja, es macht mir etwas aus, aber nicht weil ich eifersüchtig bin, sondern nur, weil ihr jetzt nicht mehr beide einsam seid, sondern verliebt. Ich sagte: «Mhhm», und empfand dies als ausreichende Antwort auf eine der dümmsten Fragen der Welt.
«Weißt du», sagte Doro, «es ist eben irgendwie passiert. Wir sind mit dem Bus nach Hamburg ins Kino gefahren, und da haben wir dann bemerkt, dass wir uns doch mehr mögen. Voll toll, oder?» Ich sagte: «Mhhm», und empfand dies als passende Äußerung für die billigste Masche der Welt.
So austauschbar war ich also gewesen. Und ich hatte mich ernsthaft darauf verlassen, dass hier derselbe Mechanismus greift wie bei den Klamotten: «Ich würd’n nicht nehmen, aber zu dir passt er.»
Und dann passte er plötzlich zu Doro.
Jetzt freute ich mich besonders, dass ich die Beziehung beendet und er so geweint hatte. Denn jetzt war es herausgekommen: Er war ein Mensch, der sich beim Abschleppen selbst kopierte.
Ich traf die beiden noch einmal auf einer Party, sie brüllte ihm (er hatte keinen Namen mehr, er hieß einfach nur Schatz) hinterher, er solle von der Bar Cola-Korn mitbringen. Ich hasste sie beide. In Gedanken wünschte ich ihnen «Alles Beschissene», ging an die Bar, bestellte für
mich
zwei Cola-Korn und hoffte, dass sie mich heimlich beneideten um meiner Selbstverwirklichung wegen.
So war das damals, mit siebzehn und dem Abschlepp-Kopisten. Und wie ich jetzt all die hübschen Pärchen in der Stadt, in diesem Hamburg, das irgendwie meins werden soll, ansehe, fällt mir auf, dass Pärchen nur sehr selten gleich schön sind. Bei den meisten Pärchen ist nur einer schön. Der andere scheint sich in der Hübschheit des Schönen zu sonnen, und der Hübsche teilt sie einfach. Das ist dann wahrscheinlich so was wie Liebe. Liebe heißt also: Ich bin bereit, deine oder meine Attraktivität zu teilen, ergo führen wir eine Beziehung.
Ich schaue mich in den Fenstern eines Cafés an und denk mir, gut, dass ich nicht teilen muss. Weder die Getränke noch mich.
Mit siebzehn ist es mir also ein einziges Mal passiert, dass ich mit jemandem einfach so, ohne Komplikationen, eine Beziehung eingegangen bin. Immerhin.
Es bleibt für mich nach wie vor unverständlich, dieser Liebe-auf-den-ersten-Blick-Scheiß. Genauso wie das An-der-Uni-Zusammenkommen. Obwohl ich es mal versucht habe.
Lukas
Lukas. Lukas. Lukas. Schreibe ich auf meinen Collegeblock, der vor mir auf dem Pult liegt. Die Vorlesung hat ihre besten Momente längst hinter sich gelassen, der Professor referiert mehr für sich als für alle Anwesenden, denn niemand schreibt wirklich mit. Das sehe ich, weil auf den Bildschirmen der Laptops in der Reihe vor mir Solitär oder Facebook statt eines emsig protokollierenden Word-Dokuments aufleuchten. Auf den Papierseiten der technisch zurückgebliebenen Student_innen werden die Karos ausgemalt, Hausaufgaben oder, wie bei mir, schlechte Gedichte geschrieben.
Ich sitze in einer Germanistikvorlesung und frage mich jedes Mal, warum ich das auch noch studiere. Kulturwissenschaften sind super, die machen mir Spaß, damit komm ich klar. Aber Germanistik hatte ich mir irgendwie spannender vorgestellt. Ich hatte geglaubt, ich würde mich wie in diesen Literaturfilmen fühlen, viel lesen, mit meinen Mitstudent_innen in verrauchten Uni-Räumen rumhängen und über Bücher diskutieren. Aber nicht auf diese intellektuelle, sondern auf eine abgefuckte Künstlerart. Nichts da. Hier wird zwar gelesen, ansonsten aber gelernt, vor allem, dass die Meinung des Dozenten im Zweifelsfall immer richtig ist.
Jetzt liegt Germanistik in meinem persönlichen Was-ich-niemals-machen-möchte-Ranking gleich hinter BWL , Jura und Grundschullehramt. Leider hat mein Abidurchschnitt nicht für Medien- und
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