Unser Wohlstand und seine Feinde (German Edition)
altersgerechtes Verhalten. Vielleicht sollten wir unsere Erwartungen nicht nur den Möglichkeiten, sondern auch den Bekömmlichkeiten anpassen.
Das krediterzeugte Wachstum ist riskant und schädlich, darüber haben wir in diesem Buch ausführlich gesprochen. Aber die gute Nachricht lautet: Es ist unnötig. Es gibt zumindest keinen wirtschaftlichen Zwang, die Wachstumsraten künstlich hochzuhalten. Ein behutsames Ansteigen des Wohlstandsniveaus in Deutschland und den USA würde – anders als womöglich in China – keine sozialen Unruhen auslösen. Die Schwankungsanfälligkeit würde sinken, die Gefahr von Bankenkrisen mit dem Abbau der staatlichen Kreditsucht schwinden. Wobei hier nicht der Verzicht auf Wachstum gepredigt werden soll, nur der Verzicht auf das Hinzukaufen von Wachstum. Der echte Wohlstandszuwachs, der sich aus der Erfindung von gänzlich Neuem und der Verbesserung des Bestehenden speist, ist nicht zu tadeln. Eine stationäre Wirtschaft, die sich selbst genügt und das Neue für entbehrlich hält, wird auch dem gesellschaftlichen Fortschritt nicht förderlich sein.
Wenn wir schon mit uns selbst ins Gespräch kommen, sollten wir alle entscheidenden Begriffe nochmals neu in die Hand nehmen: Wohlstand, Freiheit, Sicherheit. Gerade jetzt, nachdem wir die komplexe Geschehenskette gemeinsam abgelaufen sind, fühlen sich diese Werte wertvoll an. Wir haben gesehen, dass keiner dieser drei im Zuge eines göttlichen Schöpfungsprogramms über uns gekommen ist. Alles hat sich entwickelt, ist erarbeitet, erkämpft, manches auch erduldet und erlitten. Aber nichts ist garantiert.
Der Wohlstand ist so flüchtig wie die Freiheit zerbrechlich. Selbst die Idee, die Geschichte besitze einen inneren Fortschrittsautomatismus, erwies sich, wie wir gesehen haben, als haltlose Schwärmerei. Es geht für unsere Gesellschaften in alle nur denkbaren Richtungen weiter – nach unten, nach oben, und seltener, als man glaubt, verbleibt eine Nation für längere Zeit auf dem Hochplateau des Gegenwärtigen.
Am besten geht es den Menschen dann, wenn Wohlstand, Freiheit und Sicherheit wie bei einem Puzzle ineinandergreifen. Freiheit in Armut ist so wenig verlockend wie ein Wohlstand, der durch Unfreiheit erkauft wurde.
Wahrscheinlich müssen Karl Popper und Ludwig Erhard nacheinander gelesen, aber zusammen gedacht werden. Wohlstand, der mehr sein will als die Anbetung von Konsum, kann nur in der offenen Gesellschaft heimisch werden. Und diese wiederum darf bei aller Sehnsucht nach Sicherheit ihre Beziehung zur Freiheit nicht erkalten lassen.
»Wir müssen für die Freiheit planen und nicht für die Sicherheit«, sagte Popper. Und fügte sogleich hinzu: »Wenn auch vielleicht aus keinem anderen Grund als dem, dass nur die Freiheit die Sicherheit sichern kann.«
Literatur
Acemoglu, Daron; Robinson, James A.: Why Nations Fail. London: Profile Books, 2012
Akerlof, Georg A.; Shiller, Robert J.: Animal Spirits – Wie Wirtschaft wirklich funktioniert. Frankfurt/Main: Campus Verlag, 2009
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Andersen, Kurt: Reset. New York: Random House, 2009
Appleby, Joyce: The Relentless Revolution. New York: W. W. Norton, 2010
Bagehot, Walter: Lombard Street. Greenbook Publications, LLC , 2010
Bagus, Philipp: Die Tragödie des € uro – Ein System zerstört sich selbst. München: FinanzBuch Verlag, 2011
Beck, Hanno: Geld denkt nicht. München: Carl Hanser Verlag, 2012
Beck, Ulrich: Risikogesellschaft – Auf dem Weg in eine andere Moderne. Frankfurt/ Main: Suhrkamp Verlag, 1986
Bollmann, Ralph: Reform – Ein deutscher Mythos. Berlin: wjs Verlag, Wolf Jobst Siedler jr., 2008
Bremmer, Ian: Das Ende des freien Marktes. München: Carl Hanser Verlag, 2011
Brooks, David: The Social Animal – The Hidden Sources of Love, Character, and Achievement. New York: Random House, 2012
Coggan, Philip: Paper Promises – Money, Debt and the New World Order. London: Penguin, 2012
Crouch, Colin: Das befremdliche Überleben des Neoliberalismus. Berlin: Suhrkamp Verlag, 2011
Dahrendorf, Ralf: Die Krisen der Demokratie. München: Verlag C. H. Beck, 2002
Demandt, Alexander: Über die Deutschen – Eine Kulturgeschichte. Berlin: Ullstein Buchverlage, 2007
Diamond, Jared: Collaps. New York: Penguin, 2005
Dorgan, Byron L.: Reckless! New York: Thomas Dunne Books, 2009
Eichengreen, Barry: Globalizing Capital. New Jersey: Princeton University Press, 2008
Engels, Wolfram:
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