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Unser Wohlstand und seine Feinde (German Edition)

Unser Wohlstand und seine Feinde (German Edition)

Titel: Unser Wohlstand und seine Feinde (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabor Steingart
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auf der Wiederholung des bereits zuvor Wiederholten, weil das den Autor als den Verkünder eines ökonomischen Evangeliums positioniert. Die Prominenten im wirtschaftspolitischen Debattenzirkus wie Paul Krugman und Joseph Stiglitz wissen, was hier gemeint ist. Sie liefern mit jedem Buch einen weiteren Beleg für die Richtigkeit ihrer Argumentation im vorherigen Werk. Selbstzweifel gelten als geschäftsschädigend und haben deshalb zu unterbleiben. Unversehens werden hoch geschätzte Wissenschaftler zu nicht minder hoch bezahlten Mitarbeitern einer Klischeefabrik.
    Ausgerechnet jene Zunft, die der Erkenntnis und dem Fortschritt verpflichtet ist, verdingt sich damit als Handlanger der Verhältnisse. Die neu entstandene Bastardökonomie hat von den amerikanischen Wirtschaftsdeutern derzeit nicht viel zu befürchten. Die einen prügeln den Staat, die anderen attackieren den Markt, sodass für den großen Graubereich dazwischen, da wo Regierungen und Finanzinvestoren konspirieren und kooperieren, keine Aufmerksamkeitsreserven verbleiben.
    Die Spielaufstellung ist seit Jahren unverändert: Linke Ökonomen machen die Funktionsweise des modernen Kapitalmarktes – seine Sucht nach größtmöglicher Hebelwirkung, das in Mode gekommene Verpacken und Weiterreichen von Risiken, das Denken in Quartalszahlen, die Bonuskultur – für die weltweite Krise verantwortlich. Konservative Ökonomen zeigen mit dem gleichen Finger in die andere Richtung – auf den Staat, der durch die Teilnahme der halb staatlichen Immobilienfinanzierer am Subprimemarkt und die Versorgung der Finanzmärkte mit billigem Notenbankgeld die Hauptschuld an der Misere trage. Doch die Wesensveränderung, die im Charakter unserer Marktwirtschaft stattfand und weiter stattfindet, die ja gerade darin besteht, dass Markt und Staat ihre Fehler gemeinsam begehen, dass der eine als Komplize des anderen auftritt, wird mit dieser Schwarz-Weiß-Brille nicht erfasst.
    Die Tatsache, dass Regierung, Notenbank und Finanzwirtschaft gemeinsam die Verhältnisse hervorgebracht haben, an denen die Weltwirtschaft leidet, findet keine angemessene Beachtung. Dabei gilt in der wahren Wirklichkeit: Ohne Staatsversagen kein Marktversagen und umgekehrt. Ohne das billige Zentralbankgeld und die oberflächliche Aufsicht hätte es die weltweite Hyperspekulation nicht geben können. Andererseits hätten das viele Geld und der wegschauende Staat kein Unheil angerichtet, wenn im Bankengewerbe nicht der tradierte Standard suspendiert und der einst langweilige Bankangestellte durch den Investmentbanker ersetzt worden wäre, der keinen Schreck mehr bekommt, wenn er das Wort » Risiko « hört, sondern einen Erregungszustand.
    Richtig ist: Der Bankensektor wurde zum Casino umgebaut. Aber genauso richtig ist: Die Lizenz zum Umbau und die Jetons für den laufenden Spielbetrieb kamen vom Staat. Staat und Markt sind in Täterschaft vereint.
    Es ist vielleicht kein Zufall, dass nicht ein Ökonom, sondern ein Rechtsgelehrter wie Richard A. Posner, oberster Richter beim Bundesgerichtshof und Lehrbeauftragter an der University of Chicago Law School, die gemeinsame Stoßrichtung der angeblichen Antipoden thematisiert: » Die Regierung drückte in Richtung niedrigerer Standards beim Geldverleihen. Aber sie drückte auf eine bereits geöffnete Tür. « Auch Männer wie Rürup und Sinn sind vom Vorwurf der Einseitigkeit freizusprechen. Beide sehen – trotz unterschiedlicher Schlussfolgerungen aus der Finanzkrise – nicht nur eine enthemmte Geldindustrie auf der Anklagebank, sondern auch den Staat, der die Enthemmung erst ermöglichte. Die Regierungen waren » nicht unschuldig « , sagt Rürup.
    Männern wie Krugman, Stiglitz und auch Colin Crouch würde eher die Hand abfallen, als dass ihnen ein kritisches Wort zur Rolle des Staates über die Lippen käme. Er ist ihre Gottheit, der dem Teufel, also dem Markt, den Garaus machen soll. » Der Markt ist amoralisch « , sagt Crouch. Dass der Staat den » Bonusbankern « in Wahrheit die Tür aufhält, traut er sich nicht zu denken.
    Auffällig ist, dass vor allem jene Ökonomen mit besonderem Furor zu Werke gehen, deren Überzeugungen sich nie in praktischer Politik niederschlagen durften. Der unausgesprochene Vorwurf, den sie an das herrschende System richten, ist nicht der, dass es zu kapitalistisch ist, sondern dass es sie zu wenig beachtet hat. Stiglitz, Krugman und Co. waren – bei aller Unterschiedlichkeit im Detail – die Minderheit der Reagan-, Clinton-

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