Unser Wohlstand und seine Feinde (German Edition)
und Bush-Jahre. Ihnen ging es unter republikanischen wie demokratischen Präsidenten nicht besser als den Hofnarren in den Schlössern der europäischen Feudalherren. Sie durften sagen, was sie wollten. Aber die Mächtigen hielten sich die andere Meinung nur zur Bestätigung ihrer eigenen.
Wenn Krugman vor » Marktradikalismus « warnte, wusste Dick Cheney, was er nicht denken wollte. Wenn Stiglitz die Clinton’schen Arbeitsmarktreformen attackierte, konnte Clinton mit dem guten Gefühl ins Bett gehen, in der Mitte der Gesellschaft angekommen zu sein.
Nach der Krise kam die Revanche. Die Hofnarren von einst übernahmen die Macht, zumindest in der öffentlichen Meinungsbildung, und ziehen nun der Reihe nach die alten Kaninchen aus dem Hut – mehr Regulierung, Einführung eines Trennbankensystems, Konjunkturprogramme und eine scharfe marktfeindliche Rhetorik. Es gibt nahezu keine Forderung der 80er und 90er Jahre, die nicht mit großer Leidenschaft neu vorgetragen würde. Wenn die ökonomische Post-Krisen-Debatte ein Fernsehprogramm wäre, könnte man meinen, jemand hätte den Schalter » Autorepeat « gedrückt. So offenbart die Krise der Weltwirtschaft auch eine Krise jenes Berufsstandes, der zur Erklärung der Zustände in besonderer Weise aufgerufen wäre.
» Die Ereignisse wurden durch die rücksichtslose Gier der Banken verursacht « , schreibt Crouch in » Das befremdliche Überleben des Neoliberalismus « . » Ganz offensichtlich versagen Märkte, wenn sie sich selbst überlassen werden « , sekundiert Stiglitz in seinem Krisenbuch » Im freien Fall « . Als ob es zu Lebzeiten von Stiglitz auch nur einen Tag gegeben hätte, an dem Märkte sich selbst überlassen waren. Der Subprime-Markt im Besonderen war nicht sich selbst überlassen, sondern folgte dem von Politik und Banken gemeinsam entwickelten Design. Hier befand sich, wie wir in Kapitel 4 gesehen haben, das Exerzierfeld der Bastardökonomie, die eine neue Sozialpolitik – jedem sein Eigenheim – und eine vermeintlich kostenlose Konjunkturpolitik mit den Methoden des Kapitalmarktes zu bewerkstelligen versuchte.
Vater Staat hat nicht weggeschaut, wie Steglitz meint, er hat hingeschaut und hat all die Enthemmungen der Finanzwelt persönlich herbeigeführt. Die Finanzwelt wurde vom Staat dereguliert; sie hat es nicht selbst getan. Und der Staat hat es getan, weil er hoffte, durch diese Entfesselung seine eigene Reichweite erhöhen zu können.
Daraus ziehen nun viele den Republikanern nahestehende Ökonomen den Schluss, der Staat sei der Alleinschuldige und die Banken das Opfer der Verhältnisse. Die linke Einseitigkeit wird mit rechter Einseitigkeit erwidert. Das hört sich dann in der Argumentation von Michael Bloomberg, Unternehmer und Bürgermeister der Bankenmetropole New York, so an:
» Nicht die Banken haben Schuld an der Hypothekenkrise. Schuld war der Kongress, der die Banken zwang, Hypotheken an Personen zu vergeben, die keine Sicherheiten mitbrachten. Er hat Fannie und Freddie gezwungen, viele riskante Kredite zu vergeben. Er hat die Banken gezwungen, jedem Geld zu geben. Und jetzt sollen die Banken die Bösen sein. «
Dieser Freispruch des privaten Geldsektors ruft dann sogleich die anderen Einäugigen auf den Plan, allen voran Paul Krugman. Er erwidert Bloombergs Schuldspruch an die Adresse des Staates mit dessen Freispruch: » Diese Geschichte, die dem Staat die Schuld an der Krise in die Schuhe schiebt, ist bei den Rechten längst zum Dogma avanciert. Aus Sicht der Republikaner ist sie das Wort Gottes zur Finanzkrise. Die Geschichte ist natürlich falsch. « Das sei » hohles Gewäsch « und eine » große Lüge « , schreibt Krugman in seinem Buch » Vergesst die Krise. Warum wir jetzt Geld ausgeben müssen « : Schuld an den Verwerfungen der Weltwirtschaft seien » entfesselte Märkte und das ungebremste Streben nach Gewinn und Reichtum « .
Die amerikanische Einseitigkeit findet in Deutschland ihre Nachahmer. Auch Peter Bofinger, Professor für Volkswirtschaftslehre an der Universität Würzburg und Mitglied im Sachverständigenrat, glaubt, die Mehrfachkrise unserer Tage sei dadurch entstanden, » dass man den Staat nach dem Ende des Kommunismus möglichst klein gehalten « habe. Die Märkte hätten die Gesellschaft dominiert, derweil dem Staat durch Steuersenkung und Deregulierung nach und nach die Lebensgrundlage entzogen worden sei. » Die Anhänger des Marktes haben in ihrer Verblendung nicht erkannt, welch
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