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Unser Wohlstand und seine Feinde (German Edition)

Unser Wohlstand und seine Feinde (German Edition)

Titel: Unser Wohlstand und seine Feinde (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabor Steingart
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selbstzerstörerisches Potenzial einem völlig ungezügelten Markt innewohnen kann « , so Bofinger.
    Dabei ist der Rückzug des Staates ein modernes Märchen. Im fraglichen Zeitraum von 1990 bis 2008 wurde in Deutschland die Staatsquote – der Anteil der staatlichen und staatlich bedingten wirtschaftlichen Aktivität an der wirtschaftlichen Gesamtleistung der Volkswirtschaft – um 1,1 Prozent gesenkt, was vor allem der zunächst stark expandierenden und dann leicht schrumpfenden Ostförderung geschuldet ist. In den USA ging die Staatsquote im selben Zeitraum um 1,5 Prozent nach oben. Im Durchschnitt aller OECD -Staaten stieg sie um 0,7 Prozent. Von einem Zeitalter des staatlichen Rückzuges kann keine Rede sein. Der Staat blieb ein gleichgewichtiger Spieler, aber er hat – auf Wachstum und privat finanzierte Sozialpolitik hoffend – den regulatorischen Spielraum der Finanzhäuser bewusst erweitert. Er wollte nicht ihnen, er wollte sich selbst damit einen Gefallen tun.
    Die Märkte waren nicht zügellos. Sie liefen am lockeren Zügel einer Geldpolitik, die bewusst auf Expansion der Geldmenge gesetzt hatte. Die neuen Finanzierungsmodelle für Hausbesitzer und deren Kreditgeber waren staatlich gewollt und gefördert. Auch wenn es widersprüchlich klingt, die Deregulierung war auch ein Staatsprogramm.
    Doch die Behauptung vom schwächlichen Staat wird in der Schwarz-Weiß-Logik gebraucht, um so den Ruf nach einem » handlungsfähigen Staat « zu legitimieren, wie Bofinger ihn fordert. Dieser Staat soll seine Schuldpositionen nicht ab-, sondern aufbauen: » Mit der Schuldenbremse legen sich Bund und Länder selbst an die kurze Kette « , klagt Bofinger. Oder wie Krugman formuliert: » Jetzt investieren. Später bezahlen. »
    Heiner Flassbeck, einst Staatssekretär im Finanzministerium des Oskar Lafontaine und mittlerweile Ökonom bei der UNCTAD , der United Nations Conference on Trade and Development, geht noch einen Schritt weiter. Er will dem Staat nicht nur mehr Geld, sondern auch mehr Machtbefugnis zukommen lassen. Der Staat müsse » in jeder Hinsicht konsequent darüber entscheiden, ob überhaupt der Markt eine vernünftig Lösung erwarten lässt « . Er empfiehlt den Deutschen » ein System, in dem der Markt vielleicht nur noch die Minderheit ist « .
    Es wäre an der Zeit, den religiösen Charakter der bisherigen Wirtschaftswissenschaft abzustreifen und mit der Säkularisierung des Faches zu beginnen. Eine neue Wissenschaftlergeneration ist gefordert, die Komplexität nicht bis zur Stupidität zu reduzieren. Wenn die Wirtschaftswissenschaft den Menschen nützlich sein will, muss sie neue Ideen entwickeln und Althergebrachtes verwerfen; Fortschritt findet nicht als Endlosschleife des Bisherigen statt. Oder um es mit Krugman zu sagen: » Wissenschaftlicher Fortschritt vollzieht sich vor allem durch Beerdigungen. «
    Wohlstand oder Wachstum? Plädoyer für eine Politik der Entschleunigung
    Eine neue Generation von Wirtschaftswissenschaftlern sollte den bisherigen Wohlstandsbegriff, auch den, der diesem Buch zugrunde liegt, überdenken. Wohlstand in seiner in Zahlen gefassten Form ist nicht viel mehr als eine Bilanz mit vielen Additionszeichen; Brot und Kleidung, Haus und Auto, Diamant und Motorjacht summieren sich zu einer Landschaft des Materiellen, besiedelt von einer Gesellschaft des Habens und des Habenwollens. Das Wort » genug « ist in dieser Umgebung heimatlos.
    Wer den Wohlstandsbegriffs derart verkürzt, führt ein Leben jenseits und womöglich sogar unterhalb seiner Fähigkeiten und Bedürfnisse. Wir haben in der Europadebatte erlebt, wie sich das Materielle gegen die Vision von der europäischen Einheit erhob. Nach der Finanzkrise war es das Primat des Finanziellen, das die Politik hinderte, ihren Kreditgebern, also den Banken, auch nur das Geringste zuzumuten.
    Die Vulgärinterpretation von Wohlstand, die ihn mit kreditgetriebenem Wachstum gleichsetzt, steht heute der notwendigen Trennung von Staat und Geldwirtschaft entgegen. Solange die Regierungen glauben, sie schulden ihren Wählern möglichst hohe Wachstumsraten, werden sie auf den Kredit als Wachstumsbeschleuniger nicht verzichten wollen. Wahlkämpfe werden heute im Wesentlichen von den Mächten des Materiellen organisiert. Was sich Sozialpolitik nennt, ist oft nur getarnte Machterhaltungspolitik, die mit einem leistungslosen Wohlstandsversprechen das Wahlverhalten der Menschen zu beeinflussen sucht.
    Angela Merkel klang in ihrer

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