Unser Wohlstand und seine Feinde (German Edition)
Kapitalismus « , womit er vor allem einen staatlich gelenkten Kapitalismus meinte – und an Italiens Diktator Mussolini, der mit seinem Wirtschaftsdirigismus ähnliche Erfolge erzielte wie Hitler in Deutschland.
In einem seiner berühmten Kamingespräche begründete Roosevelt im September 1934 seine Politik, die dem Staat im Wirtschaftsleben eine neue Rolle zuwies: » Die ungeheure Macht der Wirtschaft hat große Kapitalansammlungen in riesigen Industriekomplexen hervorgebracht. So groß, dass jeder Einzelne für sich genommen diesen ziemlich hilflos gegenübersteht. Die Intervention der organisierten Kontrolle, die wir Regierung nennen, scheint notwendig zu sein. «
1945 war die Zeit der militärischen Gegenspieler Roosevelt und Hitler, die auf dem Gebiet der Wirtschafts- und Sozialpolitik zuweilen wie Zwillinge gehandelt hatten, abgelaufen. Roosevelts Amerika triumphierte, Hitlers Deutschland lag in Trümmern. Der Mann, der zunächst den Wohlstand zurück in die Wohnstuben der Deutschen gebracht hatte, entpuppte sich als der größte Wohlstandszerstörer der deutschen Geschichte. Die wirtschaftliche Normalität, die er in seinen frühen Jahren mit Vollbeschäftigung und stabilen Preisen zurückgebracht hatte, kassierte er wenig später wieder ein. Sicherheit, Ordnung und Arbeit verschwanden in den Trümmern des von ihm mutwillig angezettelten Kriegs.
Aber die Gedankenwelt des » New Deal « und Hitlers Ruf nach dem » Primat der Politik « überlebten die militärischen Ereignisse. Roosevelt starb, Hitlers Reich zerfiel, aber der rohe, urgewaltige, wölfische Kapitalismus, wie man ihn aus den Vorkriegsjahren kannte, kehrte nie mehr zurück, nicht in der Wirklichkeit und auch nicht als Wunsch und Wille.
Den Kapitalismus als staatsfreie Zone gibt es heute nur noch in den Stoßgebeten der amerikanischen Tea Party. Doch die Nostalgiker, die sich nach einem urwüchsigen Kapitalismus mit angeschlossenem Minimal-Staat sehnen, sitzen auf den Zuschauerbänken. Sie dürfen zwar in Fernseh-Talkshows ihre Luftschlösser zum Kauf anbieten. Aber das Publikum weiß zwischen Polemik und Politik zu unterscheiden. Die Wiederwahl des Demokraten Barack Obama, des Mannes, der Amerika eine Gesundheitsversicherung für alle brachte, war zu keinem Zeitpunkt ernsthaft in Gefahr.
Längst ist Amerika ein Land der Marktwirtschaft, in dem Staat und Privatwirtschaft friedlich koexistieren, auch wenn es im Grenzgebiet immer wieder zu ideologischen Feuergefechten kommt. Der Anteil der staatlichen Sozialausgaben am Bruttosozialprodukt hat sich von 1960 bis 1980 verdoppelt. Der Militärhaushalt wurde erstmals 1972 vom Sozialetat übertroffen.
Die Deutschen empfinden vor allem Mitleid, wenn sie auf das amerikanische Wirtschafts- und Sozialsystem blicken. Doch diese Gefühle sind unangemessen. Selbst bei den Ausreichungen des Wohlfahrtsstaates stehen wir nicht so grandios da, wie wir glauben. Zwar bescheinigen unsere offiziellen Statistiken der Bundesrepublik den deutlich opulenteren Sozialstaat. Doch Vorsicht: Dieser Wahrheit wurde statistisch aufs Pferd geholfen. Unsere deutschen Statistiken sind Brutto-Rechnungen, die all das berücksichtigen, was die Menschen in unserem Land an sozialen Zuwendungen zugesteckt bekommen. Zugleich aber verschweigen diese Statistiken, was der Staat den Beschenkten gleich wieder abzieht – die Mehrwertsteuer, die Mineralölsteuer, die Flugbenzinsteuer, die Versicherungs-, die Tabak- und Alkoholsteuer, aber auch die reguläre Einkommenssteuer. Das deutsche Prinzip, wo der Staat den Bürgern links etwas zusteckt, was er ihnen rechts wieder wegnimmt, wird erst in der Nettobetrachtung sichtbar, wie sie die OECD anstellt. Und siehe da: Der deutsche Sozialstaat steht deutlich schmaler vor uns.
Die USA hingegen profitieren von der Netto-Berechnung und erzielen nunmehr eine Sozialleistungsquote von 27 Prozent, was nahezu auf dem Niveau von Österreich und Deutschland liegt. Denn in den USA fallen die Verbrauchssteuern insgesamt niedriger aus, im Falle der Energiesteuern sogar deutlich niedriger, und in einigen Bundesstaaten sind Sozialhilfeempfänger von der Umsatzsteuer gänzlich befreit. Auf den Essensgutschein oder die staatliche Rente wird ebenfalls keine Steuer erhoben. Auch wenn es schwerfällt, sich von lieb gewordenen Vorurteilen zu verabschieden, wir sollten es versuchen: Amerika ist aus der Großen Depression als ein Land mit menschlicherem Antlitz hervorgegangen. Das Stahlgewitter der Geschichte –
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