Unser Wohlstand und seine Feinde (German Edition)
Rüstungsinvestitionen an den staatlichen Gesamtausgaben von vier Prozent in 1933 stieg auf 50 Prozent in 1938. Man ließ den Staatshaushalt um das Vierfache ansteigen, nahm Schulden auf wie keine Regierung davor und keine danach.
Auf dem Feld der Wirtschaftspolitik – die im NS -Staat immer auch Rüstungspolitik war – errang Hitler seine größten und bedeutsamsten Siege. Die Wachstumsraten der Jahre 1933 bis 1938 lagen mit über zehn Prozent auf dem gleichen Niveau wie später die der Tigerstaaten Asiens.
Bereits 1936, also vier Jahre nach der Machtergreifung, herrschte in Deutschland Vollbeschäftigung, derweil in Frankreich und in Großbritannien die Arbeitslosigkeit in der zweiten Hälfte der 30er Jahre noch immer bei über zehn Prozent und in den USA sogar bei über 20 Prozent lag. Es war die enorme Aufrüstung – aus der 100 000-Mann-Armee des Jahres 1933 wurde binnen sechs Jahren Europas größte Streitmacht mit 3,2 Millionen Soldaten, wobei das Heer 2,75 Millionen, die Luftwaffe 400 000 und die Marine 50 000 Köpfe zählte –, die den Wirtschaftskreislauf nun stimulierte.
Aber das war es nicht allein, was den Aufschwung brachte. Auch die zivile Produktion sprang an. Der nach London geflüchtete Publizist Sebastian Haffner sprach rückblickend vom » Hitler’schen Wirtschaftswunder « .
Dieses Wunder hatte einen Preis, auch wenn das In-Rechnung-Stellen dieses Preises zeitversetzt erfolgte. Die Zeitgenossen konnten ihn zunächst nicht sehen und nicht spüren. Aber die Gesamtstaatsverschuldung am Ende des Zweiten Weltkrieges lag bei 400 Prozent des Sozialprodukts, dem 2,5-Fachen der heutigen Staatsverschuldung von Griechenland. Die Inflation wurde mit Preisdiktaten zurückgestaut. Die Vorarbeiten für einen Währungskollaps waren unter Hitler also weit vorangekommen.
Die Expansion der Geldmenge überschritt jedes verantwortbare Ausmaß, wie wir heute wissen. Entfielen 1932 auf jeden Bürger des Deutschen Reiches 92 Reichsmark, waren es im April 1945 bereits 811 Reichsmark. Eine derart hemmungslose Ausweitung der Geldmenge hatte es in der entwickelten Welt davor und danach nicht gegeben.
Der kreditfinanzierte Aufschwung und eine bis zur Unkenntlichkeit verwässerte Währung: Hitler kalkulierte mit den Gewinnen der Eroberungskriege, die ja auch tatsächlich flossen. Das Ausplündern der Inhaftierten, die nach Hause geschleppten Ressourcen der eroberten Länder, die Überschreibung ausländischer Notenbank-Reserven, die Versklavung anderer Völker, all das geschah. Aber es reichte nicht, um die Hitler’schen Ausgaben zu decken. Die Kosten der Kriegsführung – 150 Millionen Reichsmark pro Tag – überstiegen die Einnahmen des Staates bei Weitem. Die Summe aller Staatseinnahmen des letzten Friedensjahres hätte nur für einen viermonatigen Krieg gereicht.
Schon die Briten hatten mit ihrer weltweiten Expansion keine guten Erfahrungen gemacht, wie wir vorhin gesehen haben. Die Einheimischen in Indien wollten sich keineswegs mit ihrem Status als Arbeitsvieh und Lakaien der Kolonialisten zufriedengeben. Derweil die Kosten der Landnahme stiegen, sanken die Erträge. Indien war für die Briten eine miserable Investition, die Geld, Menschenleben und politische Aufmerksamkeit verschlang, weshalb Indien später gar nicht so ungern in die Unabhängigkeit verabschiedet wurde. » Was für England Indien war, wird für uns der Ostraum sein « , äußerte Hitler einmal vor Vertrauten im Rahmen seiner sogenannten Tischgespräche. Hätte er den tieferen Sinn dieser Parallele verstanden, hätte er seine Pläne zur Eroberung des » Ostraumes « unverzüglich aufgeben müssen.
Die ökonomische Rechnung traf für Hitler nicht mehr rechtzeitig ein, weil die militärische Quittung eher zugestellt wurde. Hitler-Deutschland war am Ende von zwei konkurrierenden Todesursachen bedroht: Die militärische Niederlage von außen und der ökonomische Kollaps von innen wetteiferten miteinander. Die Panzerdivisionen und Fliegerstaffeln von Russen, Briten, Franzosen und Amerikanern waren im Endspurt schneller.
Roosevelt ging besonnener zu Werke. Auch er wies dem Staat eine größere Aufgabe zu, als dieser sie je zuvor in der amerikanischen Geschichte eingenommen hatte. Auch er machte Schulden wie kein Präsident vor ihm. Aber er verwandelte Amerika nicht in einen Führerstaat mit angeschlossener Privatwirtschaft. Er stützte die Bedürftigen, er half den Gewerkschaften, sich zu organisieren, und errichtete Leitplanken für die
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