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Unser Wohlstand und seine Feinde (German Edition)

Unser Wohlstand und seine Feinde (German Edition)

Titel: Unser Wohlstand und seine Feinde (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabor Steingart
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sprachlich abzuheben – etwas vornehmer » Vergesellschaftung « nannten.
    Zu diesem kurzen, aber an Verwirrung reichen Kapitel der unmittelbaren Nachkriegsgeschichte sollte man am besten Psychoanalytiker befragen. Denn hier schrieb das Unterbewusstsein Wirtschaftsgeschichte. Womöglich um vom eigenen Versagen in der Vor-Hitler-Zeit abzulenken, als Millionen Bürgerliche von demokratisch auf autoritär umgeschaltet hatten, nicht wenige von bürgerlich auf bestialisch, zeigten die Politiker aller Parteien nun mit dem Finger auf die Privatwirtschaft. Die Zustimmung der bürgerlichen Parteien zum Ermächtigungsgesetz war vergessen. Das Schweigen zu Mord und Vertreibung wurde weiterhin beschwiegen. Die in peinlicher Anbiederung an Hitler erfolgte Selbstauflösung des Zentrums, der Vorläuferin der CDU , mochte keiner mehr erinnern, ebenfalls das schon geschilderte Versagen der SPD und ihres Kanzlers Müller. Dafür galt jetzt: Die Unternehmer waren schuld! Das Kapital! Wer sonst.
    Es müsse eine Neuordnung von Grund auf erfolgen, hieß es im Ahlener Programm der CDU von 1947. Und weiter: » Inhalt und Ziel dieser sozialen und wirtschaftlichen Neuordnung kann nicht mehr das kapitalistische Gewinn- und Machtstreben, sondern nur das Wohlergehen unseres Volkes sein. «
    Bei der SPD die gleiche Melodie, nur lauter. Kurt Schumacher hielt es für gänzlich ausgeschlossen, dass in Deutschland Privatwirtschaft und Demokratie jemals wieder nebeneinander existieren könnten. Deutschland, so sagte er unmittelbar nach Kriegsende, sei nicht mehr in der Lage, » eine privatwirtschaftliche Profitwirtschaft zu ertragen « . Und so schien es ja auch. Das Unheil der Weltwirtschaftskrise wirkte nach. Was die Menschen damals erlebt und durchlitten hatten, war eben nicht ein Ausrutscher des Kapitalismus, sondern sie hatten sein wahres Gesicht gesehen. Die Lernerfahrung der letzten Jahrzehnte schien eindeutig: Der Kapitalismus war eine Respekt verletzende, Freiheit und Wohlstand vernichtende Erfindung, die ins Museum für Wirtschaftsgeschichte gehörte, aber nicht in ihr neues Leben.
    Wenn es denn in dieser Aufwachphase der unmittelbaren Nachkriegszeit überhaupt schon Sehnsüchte gab, dann war es die eine große Sehnsucht des » Nie wieder « , nie wieder Hitler, aber auch nie wieder Fabrikantenherrschaft, nie wieder Knochenarbeit für kleines Geld, nie wieder diese verdammte Recht- und Hilflosigkeit gegenüber denen, die wirtschaftliche Macht besaßen.
    Was nützte ein Mehrparteienstaat mit freier Rede, freien Wahlen, wenn hinterm Fabriktor vordemokratische Bedingungen existierten, keine unbotmäßige Rede gestattet war, es keine Wahlen und keine wirkliche Teilhabe an den Früchten der Arbeit gab. Die Menschen hatten die Schizophrenie des demokratischen Kapitalismus – die in der Vorkriegszeit praktizierte Mischung aus autoritärem Wirtschaftssystem und politischer Demokratie – durchschaut. Die Reproduktion der alten Ordnung war damit unmöglich geworden.
    Der Westen musste nun beweisen, dass er in der Lage war, ein Wirtschaftssystem zu betreiben, das nicht wie das Vorgängerregime von einer Euphorie in die nächste Depression stolperte. Die Menschen wollten arbeiten und vergessen. Sie wollten festen Grund unter die Füße bekommen nach all den Schwankungen der Kriegsjahre. Das Wirtschaftssystem musste zu diesen Sehnsüchten passen.
    Das war die Stunde des Ludwig Erhard. Dieser vom Parteienhader unbelastete und notorisch optimistische Mann erfüllte die Sehnsucht des Augenblicks. In schwankender Zeit erschien Erhard als ein Mann des Gleichgewichts, er verkörperte das, was die Deutschen so schmerzlich vermissten: das Stabile und Stete, das Verlässliche, das Biedere und Bodenständige nach all den Jahren der ideologischen Raserei. Der korpulente Mann mit den schlecht sitzenden Anzügen versprach schon optisch die Rückkehr des kleinen Lebensglücks. Mit seinen Kalenderspruch-Wahrheiten – » kein Staat kann seinen Bürgern mehr geben, als er ihnen abgenommen hat « ; » Vermögen zu haben ist auch ein Stück Freiheit « – wurde er dann er zum marktwirtschaftlichen Volkserzieher.
    Der Unterschied zu allen anderen, die sich in dieser Rolle gefielen, war der: Erhard lieferte. Sein Lehrbuch wurde in die Wirklichkeit übersetzt. In seinen 14 Jahren als Wirtschaftsminister und den vier Jahren als Bundeskanzler wurde Erhard zum größten Wohlstandsermöglicher der deutschen Geschichte. Von 1950 bis 1960 wuchs der Wohlstand in Deutschland pro

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