Unser Wohlstand und seine Feinde (German Edition)
Max Weber einst gesagt. Reagan trat den Gegenbeweis an. Die Kunst seiner Politik bestand darin, zu bohren, ohne das Brett auch nur zu berühren.
Wer den Publikumserfolg der » Reaganomics « verstehen will, muss einen schnellen Blick auf die Steuerpolitik werfen, die damals von Reagans Freunden als Meisterwerk und von Reagan-Hassern als Teufelszeug bezeichnet wurde. Die Erregungsschübe hätten sich beide Seiten sparen können. Im Rückblick imponiert an der Bilanz der » Reaganomics « vor allem ihre Schlitzohrigkeit.
In einem ersten Schritt senkte Reagan den Steuersatz für die Reichen von damals über 70 Prozent auf 50 Prozent und den Eingangssteuersatz für Geringverdiener von 14 auf 11 Prozent. Das sah nach Tatkraft aus. » Morning again in America « war der Wahlslogan zur Wiederwahl Reagans, der die Stimmung in Wählerstimmen verwandelte.
Doch kaum war der Paukenschlag der Steuersenkung verklungen, ging die Reagan-Regierung daran, diesmal deutlich leiser orchestriert, die Steuerschlupflöcher zu schließen und die Steuerbasis durch Anhebung der Eingangssätze zu verbreitern. Vor allem die Selbständigen mussten den Großteil der vorher überreichten Steuergeschenke wieder abliefern. Denn Reagan brauchte das Geld. Der » schlanke Staat « war sein propagiertes Ideal, aber nicht seine gelebte Wirklichkeit. Seine Regierung gab, gemessen an der Wirtschaftskraft, mehr aus als der linke Demokrat Carter und rund 20 Prozent mehr als der 30-Jahres-Durchschnitt seiner Vorgänger.
Die Marktwirtschaft ist seither nicht mehr die alte. Die staatliche Kreditsucht hat sich intensiviert. Würde der heutige Präsident die Rede von Reagan noch einmal halten, versehen mit den aktuellen Zahlen, hätte Obama der Öffentlichkeit Folgendes mitzuteilen:
» Es klingt verharmlosend, wenn ich sage: Das Budget unseres Landes ist außer Kontrolle. Wir sind konfrontiert mit einem Defizit für das abgelaufene Haushaltsjahr von 1,3 Billionen Dollar. Das Defizit ist zwei Mal größer als das gesamte Staatsbudget zu Zeiten von Präsident Reagan. Während der Jahre von 1960 bis 2010 ist unsere Bevölkerung um 60 Prozent gewachsen. Das Budget aber wuchs um 3600 Prozent. 1960 betrug unsere gesamte Staatsschuld 284 Milliarden Dollar. Der Kongress beschloss 1971 eine Schuldenobergrenze von 400 Milliarden Dollar. Heute beträgt unsere Staatsschuld 15,5 Billionen Dollar. In diesen 40 Jahren zwischen 1971 und 2011 wurde die Schuldenobergrenze 55 Mal angehoben, und ich selbst habe bereits viermal gebeten, es zu tun. «
Auch zum Verlust der Wettbewerbsfähigkeit hätte ein derart aufrechter Präsident seinen Landsleuten einiges zu sagen:
» Einst produzierten wir 40 Prozent des weltweit benötigten Stahls. Nun stellen wir noch sechs Prozent her. Wir waren einst der bedeutendste Produzent von Automobilen, wir produzierten mehr als die übrige Welt zusammen. Heute beträgt unser Anteil an der weltweiten Automobilfertigung noch elf Prozent. Wir als Nation kaufen in jeder Woche für zehn Milliarden Dollar mehr Waren, als wir auf den Weltmärken verkaufen. Amerika benötigt derzeit rund zwei Drittel aller weltweiten Ersparnisse, um seinen Konsum zu decken. «
Doch so redet Obama nicht. Und auch der Mann, der ihn im letzten Wahlkampf herausforderte, führte derartige Wahrhaftigkeiten nicht im Programm. Volk und Führung haben sich in nonverbaler Kommunikation auf die Enteignung der Wirklichkeit verständigt. Es kam aus der Mitte der amerikanischen Gesellschaft heraus zu einer Neudefinition wichtiger ökonomischer Grundbegriffe. Wohlstand in Zeiten der Wohlstandsillusion ist nicht mehr das, was die Nation besitzt, sondern das, was sie verbraucht. Wohlhabend ist nicht mehr der Besitzende, sondern der Konsumierende. Reich wird man nicht durch harte Arbeit, sondern durch das Jonglieren mit mehreren Kreditkarten.
Neben dem Begriff » wealth creation « , Wohlstandserzeugung, begann das Wort » money creation « , Gelderzeugung, seine Karriere. Amerika war in das Zeitalter einer » highly leveraged economy « eingetreten, einer derivativen Wirtschaft, die sich selbst nach oben hebelt. Denn der mit dem Leihgeld erkaufte Wohlstand, messbar am Anstieg des Bruttosozialprodukts, wird zur Berechnungsgrundlage für immer neue Kredite. So erweitert der Kredit die Kreditmöglichkeiten. Der Schein triumphiert über das Sein. Das Unwirkliche wird zur Wirklichkeit erklärt. Das Rauschhafte zog in die US -Volkswirtschaft ein.
Die Gier nach Gegenwart – die
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