Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Unser Wohlstand und seine Feinde (German Edition)

Unser Wohlstand und seine Feinde (German Edition)

Titel: Unser Wohlstand und seine Feinde (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabor Steingart
Vom Netzwerk:
einen 100-Dollar-Schein mit 90 Gramm Gold – hatte sich die Regierung selbst ermächtigt, den Staat in eigener Währung bis an die Halskrause und darüber hinaus zu verschulden. Hinter jeder Dollarnote stand nun nicht mehr ein Hauch von Gold, sondern die Regierung. Und da sei es nicht Ausdruck von Sünde, sondern Ausdruck von Gewitztheit, dass sie von dieser Ermächtigung auch Gebrauch mache. So dachte und handelte man. Einwände des Auslands, der Dollar werde geschwächt und Amerika auch, wertete man in tollkühner Verdrehung der Tatsachen als Bestätigung der eigenen Position. Die Dollar-Religiosität nahm an Intensivität nur noch zu. » Unsere Währung, euer Problem « , belehrte Anfang der 70er Jahre Nixons Finanzminister John Connally den Rest der Welt.
    In der Wertschätzung der Regierung in Washington stiegen nun die Finanzgewaltigen der Wall Street zu Partnern auf. Die Interessen der Banken – Kredit verkaufen – und der Politiker – Kredit verbrauchen – ergänzten sich aufs Schönste. Staat und Bankenindustrie lagen noch in unterschiedlichen Betten, aber sie träumten bereits den gleichen Traum. Die Verformung der marktwirtschaftlichen Verhältnisse hatte begonnen.
    Ronald Reagan war Carters Nachfolger und der letzte US -Präsident, der sich dem Zeitgeist entgegenstellte, wenn auch nur, um sich ihm wenig später bedingungslos zu ergeben. Reagan ist unter den Präsidenten des 20. Jahrhunderts der große Umfaller, was ihm allerdings nicht den Spott, sondern die Verehrung seiner Landsleute einbrachte. Er war damit Blut von ihrem Blut, Fleisch von ihrem Fleisch geworden. Aber dazu später.
    Zunächst hören wir in seine Erweckungsrede hinein, die er, anders als Carter, sicherheitshalber kurz nach und nicht kurz vor seiner Wahl hielt. In einer » State of the Union Address « vom 5. Februar 1981 sagte der frisch gekürte Präsident Reagan vor rund 40 Millionen Fernsehzuschauern:
    » Das Budget unseres Landes ist außer Kontrolle. Wir sind konfrontiert mit einem Defizit für das abgelaufene Haushaltsjahr von 80 Milliarden Dollar. Das Defizit ist größer als das ganze Budget des Jahres 1957. Während der Jahre von 1960 bis 1980 ist unsere Bevölkerung nur um 23,3 Prozent gewachsen. Das Budget aber wuchs um 528 Prozent. 1960 betrug unsere gesamte Staatsschuld 284 Milliarden Dollar. Der Kongress beschloss 1971 eine Schuldenobergrenze von 400 Milliarden Dollar. Heute beträgt unsere Staatsschuld 934 Milliarden Dollar. In diesen zehn Jahren zwischen 1971 und 1981 wurde die Schuldenobergrenze 21 Mal angehoben, und nun drängt man mich, sie erneut anzuheben. Dabei bin ich erst 16 Tage im Amt. «
    Reagan, der ökonomisch nicht gut ausgebildet, aber gut beraten war, benannte auch den Zusammenhang von steigender Staatsschuld und nachlassender Wettbewerbsfähigkeit:
    » Einst produzierten wir 40 Prozent des weltweit benötigten Stahls. Nun stellen wir nur noch 19 Prozent her. Wir waren einst der bedeutendste Produzent von Automobilen, wir produzierten mehr als die übrige Welt zusammen. Das ist nicht mehr der Fall, und die Großen Drei, die bedeutendsten Autohersteller in unserem Land, melden seit Jahren schwere Verluste, und Tausende von Arbeitern in Detroit wurden entlassen. «
    Reagan erntete für seine Analyse den Applaus der Wirtschaftseliten. So drastisch und plastisch, so ehrlich und wahrhaftig hatte man noch nie einen Politiker über die erodierende Basis der amerikanischen Volkswirtschaft reden hören. Reagans Auftritt galt, auch weil er die unbequemen Wahrheiten im Ton des zum Kampf entschlossenen Optimisten vorgetragen hatte, als Anfang vom Ende der Malaise.
    Doch so einfach war die Angelegenheit nicht. Der Ton machte nicht die Musik. Der Optimismus eines Präsidenten kann zwar eine große, eine geschichtsmächtige Kraft entfalten, aber so war es in diesem Fall nicht. Die Wucht der Ereignisse und die in ihnen wirksam gewordene Kraft einer Welt, deren Gewichte sich verschoben hatten, vom Mensch zur Maschine, von Smith zu Keynes, von Amerika nach Europa und Asien, all das war stärker als Reagans Grundüberzeugung. Dessen Optimismus veränderte zwar die Stimmung, aber nicht die Lage. Am Ende von acht Jahren Reagan standen mehr Schulden, mehr Staatsbedienstete, mehr Sozialstaat und noch weniger Exporte.
    Reagan war der richtige Präsident für eine Nation, die sich nichts so sehr wünschte wie einen Wechsel ohne Veränderung. Die Kunst der Politik bestehe im Bohren dicker Bretter, hatte der deutsche Soziologe

Weitere Kostenlose Bücher