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Unser Wohlstand und seine Feinde (German Edition)

Unser Wohlstand und seine Feinde (German Edition)

Titel: Unser Wohlstand und seine Feinde (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabor Steingart
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Schubserei in den Urlaubsfliegern waren die weithin sichtbaren Symbole dieser unbeschwerten Zeit.
    Die Verhältnisse, in denen sich ein Arbeiter der 80er und 90er Jahre wiederfand, muss man im Vergleich zu denen seiner Großvater- und Urgroßvatergeneration als überaus behaglich bezeichnen. Die Wochenarbeitszeit hatte sich zwischen 1850 und 1995 halbiert, die Reallöhne waren um das Elffache gestiegen, und die Lebenserwartung lag durchschnittlich um fast 40 Jahre höher.
    Der Maschinenpark, der einem Beschäftigten des Jahres 1990 zur Verfügung stand, ermöglichte Wohlstandsgewinne, wie sie nie zuvor in der Menschheitsgeschichte gemessen wurden. 1950 wurde pro Arbeitsstunde sechsmal so viel produziert wie 1870; 1990 bereits 19-mal so viel wie 1870. Für sein Auto musste ein Arbeiter des Jahres 1910 noch vier Jahresgehälter zahlen, 1990 nur noch das Entgelt von sechs Monaten.
    Da nun bald wieder die Rede sein wird von den Feinden unseres Wohlstandes, sollte man an dieser Stelle nochmals festhalten: In der Geschichte unserer Wirtschaftsordnung erreichte die Marktwirtschaft, wie sie sich in den drei Dekaden zwischen Kriegsende und Ölpreiskrise entfaltet hat, einen vorläufigen Höhepunkt. Das System blühte auf. Es schuf hohe Wachstumsraten bei geringer Verschuldung, und die Kluft zwischen Arm und Reich begann sich zu schließen. Nie zuvor stand ein Wirtschaftssystem bei so vielen Menschen in so hohem Ansehen. Die Deutschen sprachen vom » Wirtschaftswunder « , die Amerikaner vom » Golden Age « , die Franzosen von den » les trente glorieuses « , den glorreichen 30 Jahren.
    Wie bei der Evolution der Pflanzen- und Tierwelt wurde auch die Entwicklung unseres Wirtschaftens durch Variation vorangetrieben. Spielarten, die von der » planification « in Frankreich über die » Soziale Marktwirtschaft « Ludwig Erhards bis zum » social capitalism « der Amerikaner reichten, waren zu besichtigen. Wobei keine dieser Spielarten in Reinkultur auftrat, weil die Menschen dazu neigten, die Vorteile des jeweils anderen zu kopieren und somit die Systeme miteinander zu kreuzen. Die westliche Welt folgte damals dem Pfad der Konvergenz, was nur die höfliche Beschreibung des Sachverhalts ist, dass der eine beim anderen abkupferte.
    Die gesamte Entwicklung unserer ökonomischen Systeme, wie auch der politischen, kennt kein Endstadium – wie Francis Fukuyama annahm –, und auch eine automatisierte Fortschrittsmechanik oder das Hinzulaufen auf ein Ziel – wie wir sie bei Marx und anderen geschichtsphilosophischen Entwürfen vorfinden – ist ihr fremd. Sie bringt mit schöner Regelmäßigkeit nur immer neue, zuweilen wilde Übergangsstadien hervor. Und manchmal führt uns die ökonomische Evolution auch in die Sackgasse.

Kapitel 4 – Bastardökonomie. Das Wölfische kehrt zurück – wie Politiker und Banker unseren Wohlstand gefährden
    Das schlechte Vorbild Amerika: Als die hohen Wachstumsraten der Nachkriegszeit abknicken, wird Wachstum dazugekauft. +++ Wie Bill Clinton die Wall Street dazu bringt, Hauskredite an Arbeitslose und andere arme Teufel zu vergeben. +++ Warum die Zündschnur der Krise vom US -Immobilienmarkt über die Banken der Wall Street bis nach Griechenland brennt. +++ Staaten retten Banken, Banken retten Staaten, und beide zusammen verformen die Marktwirtschaft.

Die Grenzen des Wachstums – warum Wohlstand dazugekauft wird
    Die unbeschwerte Partnerschaft von Gesellschaft und Wirtschaft fand zuerst in den USA ihr Ende. Es gab keinen bestimmten Tag, an dem sie endete, aber auf dem Armaturenbrett der Volkswirtschaft war zu Beginn der 70er Jahre plötzlich ein Druckabfall ablesbar. Die Einfuhren in die USA überstiegen 1971 erstmals im 20. Jahrhundert die Ausfuhren. Amerika begann, ein Leben auf Kosten seiner Lieferanten zu führen.
    Allenthalben wurden Verkalkungserscheinungen diagnostiziert, ohne dass man sich darauf verständigen konnte, wem die Schuld an den Zuständen zuzuschreiben wäre. Den Ölscheichs, die den Hahn damals fast nach Belieben auf- und zudrehten? Den Japanern, die mit unaussprechlichen Automarken erst für Erheiterung, dann für Erschrecken sorgten? Dem wiedererstarkten Europa, der eigenen Trägheit oder doch dem Trauma des Vietnamkrieges, das von Saigon bis nach Washington ausstrahlte?
    So umstritten die Ursache, so klar war der Befund: Das Amerika der Präsidenten Richard Nixon, Gerald Ford und Jimmy Carter war ein Uncle Sam mit hängenden Schultern. Die Wachstumsgeschwindigkeit

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