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Unser Wohlstand und seine Feinde (German Edition)

Unser Wohlstand und seine Feinde (German Edition)

Titel: Unser Wohlstand und seine Feinde (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabor Steingart
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gut sechs Milliarden Dollar, mit Europa über 88 Milliarden Dollar. Selbst in den Handelsbeziehungen mit weniger entwickelten Volkswirtschaften wie Russland kann Amerika keine Handelsüberschüsse mehr erzielen. Jeden Tag werden in den Vereinigten Staaten Schiffsladungen gelöscht, denen keine Handelsware aus US -Produktion mehr gegenübersteht. Viele Containerschiffe fahren leer zurück.
    Es sind vor allem die Spitzenprodukte einer entwickelten Volkswirtschaft – Autos, Computer, Fernseher, Spielekonsolen –, die von überallher bezogen werden, ohne dass sich die eigene Herstellung in gleichem Umfang auf dem Weltmarkt absetzen lässt. Anders als viele meinen, wird auch mit ausgewiesenen Spitzenprodukten im Saldo kein Geschäft mehr gemacht. 1990 erwirtschafteten die USA mit Gütern der Hochtechnologie noch ein Plus von 34 Milliarden Dollar. 2002 rutschte auch diese Teilbilanz in die roten Zahlen (minus 16 Milliarden Dollar), von wo sie sich weiter nach unten entwickelte. 2011 wurde bereits für rund 100 Milliarden Dollar mehr Hightech ein- als ausgeführt. Selbst wenn man die Angebote der Dienstleistungsgesellschaft, das Beraten und Projektieren, das Installieren und Reparieren, hinzuzählt, tritt keine Trendumkehr ein.
    Mit dem Verlust der Exportfähigkeit – und der Unfähigkeit, über diesen Sachverhalt zu sprechen – war die Saat für die spätere Finanzkrise ausgebracht. Alle Worte, die heute unsere Zeitungsschlagzeilen besetzt halten, Staatsverschuldung, Immobilienkrise, Niedrigzins-Politik, haben in dieser frühen Stunde zu keimen begonnen. Raghuram Rajan, Ex-Chefökonom des IWF und heute Berater des indischen Ministerpräsidenten, schrieb kürzlich in einem Beitrag für » Foreign Affairs « :
    » Bereits Jahrzehnte vor der Finanzkrise verloren die entwickelten Volkswirtschaften ihre Fähigkeit, dadurch zu wachsen, dass sie sinnvolle Güter produzierten. Nachdem die tief hängenden Früchte geerntet waren, wurde es schwerer, die Volkswirtschaft voranzutreiben. Aber die entwickelten Volkswirtschaften mussten irgendwie die Arbeitsplätze ersetzen, die an den technischen Fortschritt und ausländische Wettbewerber verloren gingen, und sie mussten weiterhin zahlen für die Renten und die Gesundheitsversicherung ihrer alternden Bevölkerung. In der Absicht, das Wachstum anzukurbeln, haben die Regierungen mehr ausgegeben, als sie sich leisten konnten. «
    Es wäre zu einfach zu sagen, dieser Verlust an Wettbewerbsfähigkeit spiegelt den Abstieg Amerikas wider. Er spiegelt vor allem den Aufstieg der neuen Industrienationen wider. Dieser führte zu einem Druckabfall in allen westlichen Volkswirtschaften. Der glühend heiße Kern der Industriegesellschaften, wo jahrzehntelang die Mehrzahl der Arbeitsplätze für den Großteil der Wohlstandsgewinne sorgte, begann zu schrumpfen. Der Staat begann damit, sich Wohlstand bei den Banken dazuzukaufen. Aus dem anfänglichen Flirt von Politik und Wall Street wurde nun eine feste Beziehung, ein Nehmen und Sich-nehmen-Lassen.
    Nur ein Narr würde ein Darlehen von 10 000 Dollar aufnehmen und anschließend behaupten, er wäre um 10 000 Dollar reicher, sagt der ehemalige Wirtschaftsberater von Václav Havel, Tomá Š Sedlá Č ek. Aber genau diese Narretei begingen die Regierungen damals. Sie kauften Wohlstand am Kapitalmarkt dazu; mit dem Ergebnis, dass die Wirklichkeit, die uns seither umgibt, synthetisch erzeugt ist. Wie hoch der Fehlbetrag der Regierung zum Jahresende ausfällt, weiß man nicht vorher. Aber dass es ein Fehlbetrag sein wird, darauf ist Verlass. Der moderne Steuerstaat ist ein Staat, der chronisch mehr ausspuckt, als er einnimmt. Er funktioniert nach dem umgekehrten Prinzip einer Spielbank.
    Der Vater des deutschen Wirtschaftswunders, Ludwig Erhard, glaubte: » Die Menschen haben zwar zuwege gebracht, das Atom zu spalten, aber nimmermehr würde es ihnen gelingen, jenes eherne Gesetz aufzusprengen, das uns verbietet, mehr zu verbrauchen, als wir erzeugen. « Doch genau das wird seither versucht.
    Was sein Staat kann, kann der Bürger schon lange. Stimuliert von einer historisch einmaligen Niedrigzinspolitik stiegen auch die Privathaushalte der USA in das Kreditgeschäft ein; Schulden sind schließlich die einzige bewusstseinserweiternde Droge, die legal erworben werden kann.
    Die 1982 in den USA gemessene Netto-Sparquote von fast elf Prozent des verfügbaren Jahreseinkommens sank bis 2005 auf ein Prozent. Innerhalb von zehn Jahren, also von 1985 bis 1995,

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